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29.07.2022, 12:31 Uhr
Die Zukunft gehört Hochleistungsteams
Die Teamarbeit ist in vielen Unternehmen nur ein Lippenbekenntnis. Tatsächlich wird sie immer schwieriger – und immer wichtiger.
Die Entwicklung der Arbeitswelt wird derzeit durch zwei Phänomene geprägt. Auf Jobangebotsseite gehen die «Mitte-Jobs» verloren. Die fortschreitende digitale Transformation macht mittlere Qualifikationen in vielen Bereichen überflüssig. Währenddessen wächst auf Arbeitnehmerseite die Heterogenität. Die individuellen Ausbildungen, Fähigkeiten und Einstellungen der Arbeitnehmer werden immer unterschiedlicher. Ursachen dafür sind unter anderem die Explosion der Zahl der Studienfächer und die Wirkungsmacht der sozialen Medien. Diese fördern die Selbstdarstellung und die Selbstbestätigung. Jeder wird zum eigenen Hype.
Die beiden Trends sind leider schlecht kompatibel. Bei «Mitte-Jobs» lässt sich die Zusammenarbeit von Menschen ohne Verständnis für die Sichtweisen der anderen noch relativ einfach mittels Geschäftsprozessen organisieren. Bei Jobs, die eine geringe Qualifikation voraussetzen, helfen Geschäftsprozesse wenig. Da zählt der Sinn fürs Praktische, die Kundenorientierung und die Bereitschaft zum Miteinander. Bei Top-Jobs braucht es zwar oft spezialisierte Expertisen, aber eine Zusammenarbeit durch vorgegebene Prozesse funktioniert ebenfalls kaum. Einige Kooperationsrituale der Digitalwirtschaft würden helfen, gelten aber in Europa als zu radikal. Lieber setzt man auf moderne Formen der Bürokratie, die selten besser funktionieren als die altbekannten hierarchischen.
Was also tun? Zuerst einmal Bewusstsein schaffen für die zentrale Rolle von Teamplay gerade dort, wo sehr unterschiedliche Menschen kooperieren müssen. Wir sehen oft nur die vielen Solo-Aufgaben, etwa das Schneiden von Blumen oder das Trainieren von Maschinenintelligenz, aber diese Solo-Aufgaben sind fast immer eingebettet in ein grösseres Ganzes. Dieses funktioniert nur über eine sich selbst organisierende Zusammenarbeit.
“Am Ende setzen sich Firmen mit funktionierender Teamarbeit meistens durch„
Reinhard Riedl
Wenn das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Teamplay etabliert ist, sollte man anschauen, wie gut die verschiedenen Ansätze zur Förderung der Zusammenarbeit funktionieren. Das desillusioniert – und das ist gut so!
Zusammenarbeit funktioniert – von einigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen – nur dort, wo der Unterschied sichtbar oder hörbar wird: etwa im Spitzensport und in der Kunst, konkret im Fussball und in der Orchestermusik. Das ist jedoch weniger das Verdienst der Selbstorganisation – Orchester wählen ihre Chefs selbst – als die Folge der Transparenz. Man hört es, wenn das Orchester nicht zusammenspielt. Man sieht es bei Fussballteams. Wir sollten deshalb lernen, Zusammenarbeit transparent zu machen. Sie muss für alle Zuschauenden erlebbar werden. Dann werden die involvierten Mitarbeitenden ihr Verhalten ändern und beginnen, tatsächlich zu kooperieren.
Leider haben viele Führungskräfte die Neigung, auch Zusammenarbeit individuell zu beurteilen – und das funktioniert nicht. Denn statt auf die anderen im Team konzentrieren sich dann die Menschen auf die Chefin oder den Chef. Das gefällt vielen Führungskräften, fördert die eigene Karriere, zerstört aber die Teamarbeit.
Einmal mehr sehen wir, dass die effektiven Karrieremechanismen der Produktivität der Unternehmen schaden. Das Gute an der Marktwirtschaft ist jedoch, dass irgendwann der Markt die Transparenz schafft. Am Ende setzen sich Firmen mit funktionierender Teamarbeit meistens durch.
Der Autor
Reinhard Riedl
beschäftigt sich mit digitalen Ökosystemen sowie der Rolle der Menschen im digitalen Wandel von Unternehmen und Märkten. Er ist ausserdem Herausgeber des Wissenschafts-Blogs «Societybyte» der Berner Fachhochschule.
www.societybyte.swiss
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