Kommentar
06.09.2019, 14:50 Uhr
Der steinige Weg vom Smartphone zum Foldable
Revolutionär oder Rohrkrepierer, das ist die Frage bei den ersten faltbaren Smartphones. Die Tech-Konzerne Samsung und Huawei liefern sich einen Schlagabtausch.
Was soll man von einem Konzern halten, der binnen weniger Jahre zweimal fast den gleichen Fehler begeht – was ihn sehr, sehr viel Geld und Ansehen kostet? Samsung hat genau dieses Kunststück geschafft. Nach der spektakulären Pleite mit dem Galaxy Note 7 und seinem explodierenden Akku haben die Südkoreaner schon wieder ein unzureichend getestetes Produkt vorgestellt: Wenige Tage vor dem für Ende April, Anfang Mai vorgesehenen Verkaufsstart musste Samsung die Notbremse ziehen, da bei Testmustern von Journalisten und Bloggern gravierende Fehler aufgetreten waren.
Bei mehreren Tech-Journalisten war das OLED-Display kaputtgegangen. Ursache: das Scharnier. Einige beschädigten zudem ihre Geräte, weil sie versehentlich eine Schutzschicht abzogen, die wie die übliche durchsichtige Folie auf Bildschirmen neuer Geräte aussah, aber Bestandteil des Displays war. Alles keine Fehler, die Samsung nicht auch bei eigenen Tests ohne Hexenwerk hätten auffallen können.
Offenbar war aber der Drang, dem chinesischen Konkurrenten Huawei und seinem angekündigten Mate X zuvorzukommen, so übermächtig, dass wie schon beim Note 7 keine Zeit für ausreichende Tests blieb oder Warnungen ignoriert wurden. Sehr dumm, wenn auch nachvollziehbar, denn die Mischung aus dünnem Smartphone und leistungsstarkem Tablet soll schliesslich die erste revolutionäre Neuerung seit dem iPhone werden – und wer da die Nase vorn hat, dürfte seinen Eintrag in die Geschichtsbücher sicher haben.
Dabei hätte Samsung schon ein kurzer Blick in die Historie des Smartphones darüber belehren können, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, wirklich der Erste zu sein, der eine neue Gerätekategorie auf den Markt bringt, sondern vielmehr darauf, durch Qualität und Komfort alle Konkurrenten in den Schatten zu stellen. Auf diese Weise nämlich gelang es Apple, sich mit dem ersten iPhone 2007 den Ruf des Smartphone-Erfinders zu sichern, obwohl mehrere Geräte anderer Hersteller diesen Rang mit Fug und Recht für sich in Anspruch nehmen könnten. Oder erinnern Sie sich noch an den Communicator von Nokia, ein aufklappbares Gerät mit grosser, quer angebrachter Tastatur, das schon 1996 das Licht der Wert erblickte? Oder an das Ericsson GS88, Codename Penelope, von 1997, das erste Gerät, das tatsächlich schon «Smartphone» genannt, aber nie produziert wurde?
Das Neue an diesen klobigen Gerätschaften war, dass sie einen HTML-fähigen Internetbrowser mitbrachten, mit dem man E-Mails und Faxe versenden und empfangen konnte, das Smarte, dass sie als Telefon zusätzlich viele Funktionen eines Computers besassen. Erst dem iPhone gelang es, Design und Leistung so zu verknüpfen, dass alle das Gefühl hatten, wirklich ein smartes Phone vor sich zu haben.
Ob nun schon das Samsung Fold diesen Wow-Effekt auslösen kann oder Huawei, Royole, Lenovo, Oppo oder Xiaomi das Rennen machen, die allesamt an faltbaren Geräten arbeiten sollen, muss sich erst noch zeigen. Entscheidend wird sein, ob die Probleme mit der Faltkante und den Faltscharnieren gelöst werden. Bislang bleibt entweder ein hässlicher Rand zwischen den aufgeklappten Bildschirmhälften sichtbar oder der Faltmechanismus und das sofortige automatische Umspringen der Bilder und Anwendungen (Screen Continuity) klappen nicht wirklich geschmeidig.
Dass Samsung das Debakel leicht hätte vermeiden können, wenn es sich nur ein wenig mehr Zeit gegönnt hätte, zeigt eine Ankündigung von Anfang Juli: Gerade einmal zwei Monate nach dem Fold-Rückzug hiess es von Samsung, das Redesign des Fold sei abgeschlossen. An der IFA in Berlin hiess es nun, dass das Galaxy Fold ab sofort in Korea verfügbar ist. In die Schweiz soll das Falthandy dann im vierten Quartal kommen. Preise sind für den hiesigen Markt derweil noch nicht bekannt. Für den einst kommunizierten Preis von umgerechnet rund 2000 Franken bekäme man allerdings gleich zwei schicke Tablets. Oder ein kleines Edel-Notebook. Da weiss man, was man hat.