Schweiz 24.09.2014, 10:34 Uhr

Im Mekka der Rechenzentren

Nirgends auf der Welt ist die Dichte an Rechenzentren höher als in der Schweiz. Aber werden sie auch den steigenden Kundenanforderungen gerecht und wirtschaften sie nachhaltig?
Nirgends auf der Welt ist die Dichte an Rechenzentren höher als in der Schweiz. Aber werden sie auch den steigenden Kundenanforderungen gerecht und wirtschaften sie nachhaltig?
Laut Bundesamt für Energie (BFE) betreiben in der Schweiz nur rund 4 Prozent der mittelgrossen Unternehmen eigene Rechenzentren. Der Grund ist klar: Die Infrastruktur kann in den eigenen Geschäftsräumen nur schwer mit dem Unternehmen wachsen und ist mit hohen Nachinvestitionen für mehr Platz, höherer Energiedichte und Sicherheit verbunden. «Heute bestehen noch viele, zumeist kundeneigene Rechenzentren, die 20, 25 Jahre und älter sind, und den neuen Leistungsanforderungen ohne weitere Inves­tition in neue Technologien nicht mehr ge­nügen», sagt Peter Moebius, Managing Director des Datacenter-Betreibers Interxion Schweiz. Ein externer Anbieter kann genau diesen Anforderungen oft besser gerecht werden. Aus Sicht der Unternehmen empfiehlt Dieter Moser, Vorsitzender der Geschäftsleitung CKW Fiber Services (CFS), sich für «Buy» statt «Make» zu entscheiden und die so frei werdenden Ressourcen auf die Entwicklung der IT für die Kernprozesse zu konzentrieren. Das sieht ein Grossteil der Schweizer Unternehmen ähnlich, denn externe Datacenter von Drittanbietern haben hier­zulande Hochkonjunktur. Besonders mit der Swissness scheinen die hiesigen Rechenzentren punkten zu können. Noch wichtiger sind jedoch Energieeffizienz, Verfüg- und Managebarkeit sowie Flexibilität. «Das Wichtigste ist eine auf Flexibilität ausgelegte Grundkonzeption», erklärt Olivier Honold, Sales Manager Schweiz bei e-shelter. «Nur so kann die Infrastruktur den sich permanent verändernden Anforderungen der Zukunft angepasst werden.»
Eine Studie im Auftrag des BFE und des Schweizerischen Verbandes der Telekommunikation Asut zeigt, dass die Gesamtfläche der Rechenzentren seit Jahren stark wächst. Allerdings auch deren Stromverbrauch. Mit 1661 Gigawattstunden haben die Rechenzentren 2013 rund 2,8 Prozent des schweizerischen Gesamtstromverbrauchs ausgemacht. Sind die Rechenzentren den neuen Anforderungen hinsichtlich wachsendem Datenvolumen, Verfügbarkeit sowie Energieeffizienz gewachsen und wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Computerworld hat sich umgehört.

Noch nicht alle top

«Die Rechenzentren sind den Leistungsanforderungen gewachsen, denn wir hören ja nichts von Ausfällen ganzer Rechenzent­ren, wie dies bei Strom- und Telefonnetzen hin und wieder vorkommt», sagt Green-CEO Franz Grüter. Ob sie den enorm gestiegenen Ansprüchen der Kunden gewachsen seien, stehe aber auf einem anderen Blatt. Vor allem bei der Energiedimensionierung und der Kühlleistung, den Qualitätsstandards (von Tier 2 auf Tier 4) oder beim Vermeiden von Risikokorrelationen bei gespiegelten Rechenzentren können ältere Modelle nicht mehr mithalten. Heute müssen zudem die Kosten klar kalkulierbar sein, der Betrieb muss so effizient wie möglich laufen und flexibel auf kundenspezifische Bedürfnisse ausgerichtet werden können. «Ältere Rechenzentren sind oft einfach nur Räume, zum Teil sogar mit Fenstern, in bestehenden Liegenschaften», so Grüter. Manche Kunden fragen heute beispielsweise, ob die energieeffizienteren, gleichstrombasierten Server eingesetzt werden können. Manche Betreiber können das inzwischen für einzelne Racks anbieten. Im neuen Green-Rechenzentrum, das jetzt ans Netz gehe, sei Gleichstrom flächen­deckend verfügbar, sagt Grüter. Auf der nächsten Seite: Hochsicherheitstrakt für Daten

Hochsicherheitstrakt für Daten

Aber auch beim Zutritt steigen die Anforderungen: «Idealerweise wird bereits das Gelände, auf dem das Rechenzentrum steht, gesichert», erklärt der CFS-Vositzende Dieter Moser. Die Luzerner bauen gerade ein Rechenzentrum für Grossunternehmen und KMU, in das Mitte 2015 die Suva als erster Grosskunde einziehen wird. Mindestens sei mittels biometrischer Verfahren beim Gebäudezutritt eine Personenauthen­ti­fizierung durchzuführen. Danach ist eine zwiebelschalenartige Kontrolle über verschiedene Sicherheitsstufen mit entsprechender Nachvollziehbarkeit der Zugänge via Log Files und/oder Video angeraten. «Kunden erwarten heute von einem Rechenzentrum, dass es in einem Hochsicherheitsgebäude untergebracht ist», sagt auch Moebius von Interxion. In der Tat scheint der Standort Schweiz hinsichtlich Sicherheit einen grossen Pluspunkt verbuchen zu können: «Die Schweiz wird zur Bank für Daten, was auch für ausländische Kunden interessant ist, die ihre Daten sicher verwahrt wissen wollen», meint Francisco Alvarez, Vice President Partner Projects Systems & ITB Switzerland bei Schneider Electric. Zudem seien hierzulande qualifizierte Leute für den Betrieb der Rechenzentren angestellt. Ein weiterer Punkt betrifft die Energiekosten, die laut Alvarez 40 Prozent tiefer als im Rest der EU liegen.

Intelligente Kühlsysteme

Energieeffizienz ist daher auch das Schlagwort, das sich alle Rechenzentrumsbetreiber auf die Fahne geschrieben haben. Die Dichte der Systeme hat enorm zugenommen. Eine normale, herkömmliche Kühlung reicht dann nicht mehr aus. «Früher hat man ganze Hallen gekühlt und damit unsagbar viel Energie verschwendet», sagt Alvarez. «Heute werden nur die eingehausten Serverracks gekühlt.» Maximale Leistung mit minimaler Leistungsaufnahme ist die Devise. Dabei ist nicht nur die Leistungsaufnahme dynamisch geworden, sondern eben auch die Kühlung. Bei Green beispielsweise kommt ein vollredundantes Kühlsystem zum Einsatz, das Luft- und Wasserkühlung verbindet. Bis zu einer Umgebungstemperatur von 16 Grad Celsius arbeiten die Chiller im Leerlauf, also im Free-Cooling-Betrieb, dessen Modus mit Kaltwasserspeichern noch verlängert werden kann. Die gewonnene Abwärme lässt sich dann beispielsweise für die Klimatisierung benachbarter Gebäude verwenden. «Mit den neuen Kühl­technologien ist eine Energieeinsparung bis zu 30 Prozent eine Tatsache», sagt Alvarez. Zudem laufen Serverräume heute nicht mehr rund um die Uhr. Bei geringerer Auslastung, beispielsweise, wenn das Gros der Mitarbeiter abends nach Hause geht, werden Server abgestellt und konsolidiert und erst am Morgen wieder hochgefahren. Die dabei gewonnene Energieeinsparung kann bis zu 50 Prozent betragen. Einen Sprung nach vorn in Sachen Energieverbrauch macht auch die bereits erwähnte Gleichstromtechnologie. Die Gleichstromverteiler­anlage wandelt dabei den Hochspannungswechselstrom der Elektrizitätswerke an der Schwelle zum Rechenzentrum in Gleichstrom um, der dann über eigene Leitungen bis in die Server geführt wird. Eine mehrfache Trans­formation, die viel Hitze erzeugt, ist dadurch unnötig. Weil weniger Wärme entsteht, kann auch die Kühlung effizienter gestaltet werden. Auf der nächsten Seite: Und was ist mit der Umwelt?

Bekenntnis zur Umwelt

Der technologische Fortschritt ist hinsichtlich Nachhaltigkeit spür- und auch messbar. Herkömmliche Rechenzentren weisen laut Grüter von Green einen durchschnittlichen PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) von 1,8 auf. Im Oktober eröffnet Green in Lupfig das Modul B seines Datacenters Zürich-West. Durch den Einsatz von Ammoniakkühlsystemen und einer um das 25-Fache erhöhten Retentionszwischenspeicherung der Wärme in den Wassertanks soll es möglich sein, den CO2-Ausstoss deutlich zu verringern und damit den ökolo­gischen Fussabdruck weiter zu reduzieren. Das Modul B soll dann einen PUE-Wert von nur noch 1,2 ausweisen. Zudem betreiben die meisten modernen Datacenter-Anbieter heute Photovoltaikanlagen, um umweltfreundlichen Solarstrom zu erzeugen.
Auch Wolfgang Zepf, Country Manager von e-shelter, betont, dass beim Bau des Rümlanger Datacenters auf Nachhaltigkeit und Energie­effizienz geachtet wurde: «Die Abwärme der Server wird zur Beheizung des Datacenters sowie benachbarter Gebäude genutzt. Den Strom bezieht e-shelter aus erneuerbaren Ressourcen.» Auch andere denken so: «Nachhaltigkeit ist nur gegeben, wenn ein unternehmensweites Bekenntnis bezüglich umweltfreundlichem und sparsamem Umgang mit Energie vorgegeben wird», sagt Peter Moebius von Interxion. Das Unternehmen betreibt seine Datenzentren auf freiwilliger Basis vollständig klimaneutral. Die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien wird mit einer finanziellen Abgabe unterstützt. Niedrigere Kosten und ein stärkeres Umwelt­bewusstsein gehen dabei Hand in Hand. Denn, wie es Dieter Moser auf den Punkt bringt: «Die Effizienz von Server- und Storage-Equipment beeinflusst nicht nur die Betriebskosten, sondern auch die Ökologie.» Oder umgekehrt.

Fazit: Mindestens Tier 3

Bei der Wahl eines externen Rechenzentrums sollte man als Erstes auf die Zertifizierung des Anbieters und der Infrastruktur achten. «Als Unternehmer würde ich meine IT-Infrastruktur nur noch einem Tier-3- oder Tier-4-Rechenzent­rum anvertrauen», empfiehlt Grüter von Green. Hier sind alle Systeme von der Stromversorgung über die Brandunterdrückung bis zur Klimatisierung redundant aufgebaut und damit höchst verfügbar. Das Datacenter muss zudem physisch geschützt sein, sowohl vor unerlaubtem Zutritt als auch vor Naturkatastrophen, Flugzeugabstürzen oder Unfällen mit Gefah­rentransporten. Wer sich ein Rechenzentrum fernab von einem Flughafen oder einer Autobahn auswählt, das über möglichst viele Carrier ans Internet angebunden ist, sollte damit auf der sicheren Seite sein.


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