22.11.2013, 08:37 Uhr

Erfolgreiche Innovations-Strategien

Gute Produkte oder Ideen entstehen nicht einfach so. Innovationen sind nur dann erfolgreich, wenn sie sich aus einem geplanten Prozess heraus entwickeln. Dazu ist ein realistischer Blick in die Zukunft nötig.
Innovationen sind nur dann erfolgreich, wenn sie sich aus einem geplanten Prozess heraus entwickeln
Dr. Stephan Sigrist ist Leiter von W.I.R.E, dem Think Tank der Bank Sarasin & Cie., und des Collegium Helveticum ETH & Universität Zürich. Roland Marti ist Business Consultant bei der Bison IT Services AG.
Eine Innovation entsteht aus der Idee, Bestehendes anders zu machen. Historisch betrachtet, folgen Innovationen oft schubartig auf negative Faktoren, beispielsweise Überbevölkerung oder Missernten. Einfach gesagt: Not macht erfinderisch. Auf der anderen Seite gibt es viele Unternehmen, die ihre wirtschaftliche Lage überschätzen und von den Innovationen anderer überrollt werden. Ein aktuelles Beispiel ist der Mobile-Device-Markt. Die Marktführer der Neunzigerjahre, allen voran Nokia, wurden regelrecht überrollt. Sie haben nicht erkannt, dass Touchscreens die Tastatur verdrängen. Da fragt man sich, wohin die Innovationsmillionen geflossen sind? Haben die Innovationsprozesse nicht gegriffen oder wurden die Prozesse nicht korrekt überwacht?

Wie entstehen Innovationen?

Jede Innovation resultiert aus einem Prozess, an dessen Anfang die Bedürfnisse des Kunden stehen. Wer Innovatives leisten will, muss den Kunden zuhören, deren Perspektive einnehmen und Produkte entwickeln, die darauf ausgerichtet sind. Dieser Prozess muss agil bleiben und sich laufend anpassen. Vor allem aber dürfen die Unternehmen die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung nicht aus den Augen verlieren, denn sie wirkt sich direkt auf die eigenen Ressourcen, Geschäftsprozesse und das Geschäftsmodell aus. Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Dennoch versucht die Menschheit seit jeher, diese zu deuten. Vorhersagen sind eine Grundstrategie des Lebens. Eine Ahnung des Bevorstehenden sichert die rechtzeitige Anpassung und ergibt damit einen Wettbewerbsvorteil. Gerade in Zeiten des Wandels wächst die Dringlichkeit, sich mit der Welt von morgen auseinanderzusetzen. Trotz oder wegen der Schwierigkeit, die Zukunft zu messen und in konkrete strategische Massnahmen umzusetzen, fallen Entscheidungen meist auf Basis des Tagesgeschäfts und kurzfristiger Zielsetzungen. Selbst im Zeitalter der Globalisierung und digitalen Vernetzung sind viele Teilsysteme aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft nur bedingt miteinander verknüpft. Deshalb wirken Handlungen oft nicht auf den Verursacher zurück, das heisst, die Rückkopplung zwischen verschiedenen Handlungsbereichen und deren Folgen für die Zukunft fehlt. Lesen Sie auf der nächsten Seite: fragwürdige Zukunftsdeuter

Fragwürdige Zukunftsdeuter

Die Notwendigkeit, in Quartalsberichten Rechenschaft über den Geschäftserfolg abzulegen, mag als vordergründige Erklärung dienen. Es ist aber unbestritten, dass eine nachhaltige Unternehmensstrategie nicht ohne vertiefte Aus­einandersetzung mit langfristigen Entwick­lungen auskommt. Die wachsende Zahl von Futurologen und Trendforschern ist daher bemerkenswert und im positiven Sinn kennzeichnend für die wachsende Bereitschaft, zukunftsorientierte Strategien zu entwickeln. Allerdings reicht Bereitschaft alleine nicht aus. Im relativ jungen Markt für Zukunftsfragen werden oft einseitige und unkritische Konzepte und Methoden der Zukunftsforschung feilgeboten, die mit den Prinzipien von seriöser strategischer Planung und Wissenschaftlichkeit wenig gemein haben. Zwei Tendenzen sind dabei kritisch: - Einerseits liegt es in der von Normierung und Imitation geprägten Massengesellschaft nahe, die Zukunft direkt von der Vergangenheit abzuleiten. Eine lineare Extrapolation des Bestehenden führt aber nicht zwingend zu gesicherten Zukunftskenntnissen. Die Annahme, dass sich Unternehmensstrategien auf Basis positivis-tischer Denkmodelle planen lassen, führt zu überhöhten Erwartungen und Blasenbildungen. - Andererseits benutzen zukunftsbegeisterte Menschen den Begriff «Trend» synonym mit den jüngsten Modeerscheinungen. Der effektive Nutzen dieser Art von Zukunftsanalysen als Entscheidungsgrundlage ist mehr als frag­würdig und auch aus ethischer Sicht kritisch zu bewerten. Erstens werden vor diesem Hintergrund Entscheide auf falschen Annahmen getroffen. Das Potenzial einer Technologie wird überschätzt oder Konsequenzen aus anderen Einflussbereichen wie gesellschaftliche Werte werden nicht oder zu wenig berücksichtigt. Die Dotcom-Blase Ende der Neunzigerjahre ist Beispiel solch einer falschen Einschätzung. Zweitens fördert ein produktbasiertes Trend­verständnis kurzfristiges Denken. Weil die Auseinandersetzung mit der Zukunft nur vermeintlich stattgefunden hat und ausser abstrakten Marketingbegriffen keine konkreten Handlungsfelder aufzeigt, entpuppt sich die langfristige Planung als Alibiübung. Der Versuch, neue Entwicklungen zu beobachten, die wirtschaftliche, gesellschaftliche oder politische Phänomene beschreiben, die sich nicht mit bestehenden Terminologien und Modellen erklären lassen, ist im Grundsatz lobenswert und elementar. Dies ist der Zweck von Forschung. Die Wissenschaft sucht nach Erkenntnissen, nicht nach Produkten. Die Molekularbiologie will nicht in erster Linie ein Medikament entwickeln und verkaufen. Sie will verstehen, wie ein Organismus funktionieren, wie Gene zu Proteinen werden und Krankheiten entstehen. Zwar er­geben sich aus den Ergebnissen konkrete
Produkte. Vielfach werden diese aber zufällig entdeckt oder offenbaren Eigenschaften in einem anderen Anwendungsgebiet als ursprünglich eingesetzt. Das muss auch die Grundlage in der Auseinandersetzung mit der Zukunft sein. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Forschungsmethoden offenlegen

Forschungsmethoden offenlegen

Es ist legitim, nach Mechanismen zu suchen und diese – falls möglich – als Basis für Prognose­modelle zu nutzen. Es ist auch legitim, neue Produkte und Mikrotrends zu analysieren und deren Erfolg am Markt als Evidenz zu nutzen, um ein übergeordnetes Phänomen zu beschreiben. Die Voraussetzung, um sich aus einer wissenschaftlichen, ethischen Grundlage mit der Zukunft zu beschäftigen, ist die klare und trans­parente Offenlegung der Forschungsmethoden und die Beschreibung der jeweiligen Potenziale und Grenzen. Vor allem gilt es, ausgehend von der Komplexität der Wirtschaft, der gesellschaftlichen, politischen und biologischen Systeme, die Grenzen der Prognosemöglichkeiten klar zu deklarieren. Das schliesst Science-Fiction nicht aus, im Gegenteil: Aufgrund der wachsenden Komplexität des Lebens, des exponentiellen Fortschritts und kurzfristigen, nicht antizipierbaren Einflussfaktoren müssen Vorstellungen der Zukunft auch für das komplett Neue offen sein. Gerade die Beschäftigung mit Unvorstellbarem kann eine elementare Grundlage für echte Innovation sein. Nur: Sie muss zweckfrei geschehen. Zusammenfassend lassen sich zwei generelle Voraussetzungen beschreiben, um langfristige, zukunftsorientierte Strategien zu entwickeln: die Konzentration auf das Wesentliche und der Blick über den Tellerrand.

Fokussieren auf Relevantes

Statt sich mit einer Vielzahl von Mikrotrends und spannenden, aber letztlich kaum relevanten kurzfristigen Tendenzen zu beschäftigen, gilt es, die zentralen Strategien auf wirklich bedeutende Veränderungen auszurichten. Dies betrifft aus allgemeiner Perspektive Entwicklungen wie den demografischen Wandel, die Globalisierung, den wachsenden Bedarf an Infrastruktur oder die Digitalisierung der Welt. Diese Tendenzen sind bekannt, trotzdem fehlen Lösungsansätze. Die eigentlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind entsprechend die Alltäglich­keiten, weniger die Überraschungen. Gleichzeitig bedeutet der Fokus auf das Wesentliche nicht, die Augen vor Neuem oder auf den ersten Blick weniger Relevantem zu verschliessen. Vielmehr geht es darum, regelmässig nach den wirklich wichtigen Entwicklungen zu suchen und Mikrotrends, die das Potenzial haben, die Zukunft zu prägen, als solche zu erkennen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: interdisziplinär analysieren

Interdisziplinär analysieren

Chancen, aber auch Risiken der langfristigen und schwergewichtigen Trends erschliessen sich vielfach nur durch ganzheitliche oder interdisziplinäre Analysen. Weil die Zukunft durch viele Entwicklungen geprägt ist, braucht es Modelle, welche die Welt als multipolare Vernetzung von langfristigen Entwicklungen aus unterschiedlichen Einflussfeldern verstehen. So ist das Potenzial neuer Technologien nur unter Berücksichtigung anderer Einflussbereiche einschätzbar: Biodiesel beispielsweise wurde bis vor Kurzem als geniale Lösung für die zunehmende Energieknappheit gefeiert. Wenig später stellte sich heraus, dass die Rohstoffnutzung für die Energieproduktion die Nahrungsmittelherstellung konkurriert. Daraus resultieren Preissteigerungen mit fatalen Folgen für die Ernährung der Bevölkerung in Entwicklungsländern. Um kurzfristige und einseitige Verhaltensweisen zu verändern, braucht es Transparenz darüber, wie die verschiedenen Teilsysteme der Wirtschaft, der Politik, der Gesellschaft oder der Technologie miteinander verknüpft sind. Nur dann entwickeln sich nachhaltige Konzepte und Strategien, die sicherstellen, dass die Grundlagen und Rohstoffe auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen.
Zukunfts-Matinée
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Jeweils vormittags von 7:30 bis 10:00 Uhr, inklusive Frühstücksbuffet
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