Angriffsmethoden 22.02.2022, 08:40 Uhr

Kontaktlos das Smartphone kapern

Deutschen und chinesischen Forschern ist es gelungen, ohne Touchscreen-Berührung Smartphones zu manipulieren. Sie bedienten sich dabei sogenannter elektromagnetischer Interferenzen.
Mit der «GhostTouch»-Methode könnte auf Smartphones Malware installiert werden
(Quelle: Wang, Mitev et al.)
In einem internationalen Forschungsprojekt ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am System Security Lab der deutschen Technischen Universität Darmstadt und der chinesischen Zhejiang-Universität in Hangzhou zum ersten Mal gelungen, gezielte Angriffe auf kapazitative Touchscreens durchzuführen. Mit dem sogenannten «GhostTouch» konnten sie durch elektromagnetische Interferenzen (EMI) Berührungen auf dem Display imitieren und so das Smartphone fernsteuern. In drei verschiedenen Angriffsszenarien liessen sich neun von zwölf getesteten Smartphone-Modelle manipulieren.
Um den Angriff zu realisieren, musste das Forschungsteam zwei wesentliche technische Herausforderungen überwinden: Erstens die Schwierigkeit, den Touchscreen überhaupt durch elektromagnetische Interferenzen zu beeinflussen und zweitens vorhersagbare und kontrollierbare Berührungen zu erzeugen. «Bei unseren Angriffen haben wir die Leistung der EMI-Sendeantenne, die Signalfrequenz und die Distanz zum Handydisplay variiert, um mit der passenden Signalstärke Berührungen wie Tippen oder Wischen auszulösen», erklärt Richard Mitev, Doktorand am System Security Lab.

Individuelle Angriffstrategien

Um gleichzeitig steuerbare Berührungen zu erzielen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Vorfeld die Bildschirme der getesteten Smartphone-Modelle gründlich. Jedem Gerätemodell liegen bestimmte Bewegungsmuster für Aktionen wie Entsperren, Auswählen oder Scrollen zugrunde. Durch die exakte Abstimmung der Parameter des elektromagnetischen Signals konnten diese Bewegungsmuster mit gezielt positionierten Berührungen nachgeahmt werden.
Mit Hilfe des «GhostTouchs» und den damit vorgeblichen Berührungen konnten in praktischen Angriffsszenarien verschiedene Bedrohungen in die Realität umgesetzt werden, wie etwa das Einschleusen von Malware. Kennen Angreifende die Telefonnummer des Opfers, können sie zum Beispiel eine Nachricht schicken, die einen bösartigen Link enthält. Zeigt das Telefon dann eine Benachrichtigung für die eingegangene Nachricht an, können per «GhostTouch» die Benachrichtigungen geöffnet und der Link angeklickt werden, um etwa die im Link enthaltene Malware runterzuladen.
Darüber hinaus können Angreifende über WiFi oder Bluetooth eine heimtückische Verbindung herstellen. So lässt sich das Handy etwa mit einer Bluetooth-Maus steuern oder ein Man-in-the-Middle-Angriff durchführen, mit dem beispielsweise die Kommunikation abgefangen werden kann. Auch können über «GhostTouch» Anrufe entgegengenommen werden, so dass damit ein Lauschangriff gestartet und das Opfer abgehört werden kann.

Neun von zwölf Smartphones verwundbar

Obwohl die modernen Bildschirme gründlichen elektromagnetischen Tests unterzogen werden und über ein abschirmendes Anti-Interferenz-Design verfügen, konnten auf neun der zwölf getesteten Smartphone-Modelle gezielte, kontaktlose Berührungen erzeugt und somit Angriffe realisiert werden. Dies zeigt, dass die Funktionalität selbst modernster Touchscreens unter bestimmten Voraussetzungen und mit der richtigen Ausrüstung manipuliert werden kann und man ihnen nicht blind vertrauen darf.
Die Forschungsergebnisse zum «GhostTouch» werden auf der diesjährigen Usenix-Security-Konferenz vorgestellt, die zwischen dem 10. und 12. August in Boston stattfindet.



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