25.06.2015, 10:07 Uhr
Meine Woche mit der Apple Watch
Ab dem 26. Juni ist die Apple Watch offiziell in der Schweiz erhältlich. Ich durfte sie bereits zuvor eine Woche am Handgelenk tragen. Ob ich sie nun kaufen gehe?
Kein anderes Gadget wurde in den letzten Jahren derart heiss diskutiert wie die Apple Watch. Zwar gibt es bereits seit längerem Smartwatches, doch noch ist ihnen der Durchbruch nicht gelungen. Und dies, obwohl diverse Branchenakteure- und Kenner in ihnen «the next big thing» sehen. Die Apple-Watch soll nun Schwung in dieses Geschäft bringen, schliesslich haben die Cupertiner in den vergangenen Jahren immer wieder mit innovativen Produkten wie dem Mac, dem iPhone und dem iPad die Branche und die Gesellschaft revolutioniert. Doch der Hype um die Apple Watch war getrübt, es dauerte ewig, bis Apple kommunizierte, auch an einer Uhr zu bauen. Und die versptete sich dann auch noch. In der Schweiz wird die Apple Watch ab dem 26. Juni erhältlich sein. Verschiedene Händler importierten sie aber und führen seit rund 3 Wochen die Uhr im Sortiment. Vorreiter dabei war Steg Electronics, die uns eine Uhr zur Verfügung stellte. So durfte ich rund eine Woche lang die Apple Watch testen und habe eine Art Tagebuch geführt.
Tag 1
Mit relativ viel Spannung habe ich das Paket in die Hände genommen, das die Apple Watch enthielt. Obwohl ich schon diverse Male ber Smartwatches schrieb, habe ich noch nie eine getragen. Dafür gehöre ich bei der Apple Watch nun zu den ersten in der Schweiz, offiziell ist sie erst am 26. Juni erhltlich. Und bis dahin sollte man mit dem Kauf zuwarten, denn noch fehlen unverbindliche Preisempfehlungen von Apple. So kostet die Uhr bei Steg derzeit 599 Franken(wahlweise mit grünem oder weissem Armband). Noch vor wenigen Tagen kostete sie allerdings 700 Franken. Bei anderen Händlern das gleiche Bild: Zum Start wurde sie teilweise mit über 800 Franken angeschrieben, mittlerweile ist man auf 630 Franken runter. Grund dafür sind nach wie vor fehlende unverbindliche Preisempfehlungen von Apple Schweiz. Es ist für die Konsumenten zu hoffen, dass diese die Uhr einiges günstiger machen werden. In Deutschland beispielsweise ist mein Modell für 400 Euro erhältlich. Aber auch 400 Euro sind zu viel für die Apple Watch. Das wusste ich bereits, als ich die Uhr auspackte, zumal ich noch die Version mit dem kleinen Display und dem giftgrünen Armband bekommen habe. Das Armband gefällt mir überhaupt nicht und das Display wirkt viel zu klein. Im ersten Moment erinnert mich dieses an eine Flick-Flack, die ich als Kind trug. Eine mit Mickey Mouse drauf. Nur wollte ich von der nichts anderes, als die Zeit lernen. Bei der Apple Watch bin ich nicht so genügsam, ein grosszügiges Display wäre deshalb wünschenswert. Bevor ich sie ausprobieren kann, muss die Uhr aber ohnehin aufgeladen werden ? das musste ich bei meiner Flick Flack übrigens auch nicht tun. Da dies laut Berichten zwei bis drei Stunden dauert, mache ich das über die Nacht und bin gespannt, ob ich auch nach dem morgigen Tag die Apple Watch sofort gegen meine Mickey-Mouse-Uhr tauschen würde, die mir leider vor rund 20 Jahren von einem gemeinen Schulgspänli kaputtgeschlagen wurde.
Tag 2
Der erste Ärger über die Uhr ist während der Konfiguration tatsächlich etwas verflogen. Denn die ist ? ganz Apple ? sehr benutzerfreundlich. Es reicht, in der seit iOS 8.2 vorinstallierten iPhone-App den Code einzugeben, den die Apple Watch anzeigt. Alternativ soll die Uhr vor die Kamera des iPhones gehalten werden können. Das misslang mir aber etwa fünfmal, danach verlor ich die Geduld.
Nach dem Aufsetzen muss ich mich entscheiden, welche Apps ich auf der Uhr haben möchte. Man kann sie einzeln aussuchen oder direkt alle übernehmen. Ich entscheide mich für letzteres, der Prozess dauert keine Minute. Von meinen Apps werden rund 50 Prozent übernommen, die Zahl wird bei jedem anders aussehen. Wenn ich sie anders anordnen will als vorgegeben, nutze ich dafür das iPhone. Da es ein neues Produkt ist, kann keine allzu grosse App-Abdeckung erwartet werden. Insgesamt gibt es derzeit ein paar tausend Apps für die Uhr. Das Dumme: Die zwei Apps, welche ich unterwegs am Häufigsten brauche, fehlen noch. Namentlich die App der SBB und WhatsApp. Während ich ohne die erste auskommen kann, ist die Apple Watch ohne letztere für mich nutzlos. Schliesslich soll sie hauptsächlich eine Nachrichtenzentrale für das iPhone sein und die grosse Mehrheit aller Nachrichten erhalte ich via WhatsApp. Deren Entwickler wollen diesen Missstand korrigieren, ein Release-Datum gibt es aber noch nicht. Aber gut, sich zu sehr davon beeinflussen zu lassen wäre unfair, schliesslich wird sich der Zustand verbessern. Und die Uhr kann schon noch mehr, als nur Nachrichten empfangen, beispielsweise die Zeit anzeigen. Das Zifferblatt gibt es dabei in unzähligen Versionen. Schick gemacht, aber der erste Eindruck ist dennoch nicht positiv. Weil ich nun zum Essen eingeladen bin, aber die Uhr zu keinem meiner Kleidungsstücke anziehen kann/will, werde ich die Praxistauglichkeit der App morgen testen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: «Tag 3&4»
Tag 3
Zufälligerweise erhalte ich eine iMessage ? mal wieder eine Werbung von einem grösseren Telekomanbieter der Schweiz. Meine Apple-Watch vibriert leicht, sehr angenehm. Das würde sie auch bei einem Telefonanruf oder einem bevorstehenden Termin tun. Die Nachricht hätte ich dank des gut reagierenden Scroll-Rads (Apple nennt es «Digital Crown») auch sehr schnell lesen können. Wäre da nicht das sehr kleine Display gewesen. Meine Augen sind grundsätzlich nicht so schlecht, aber wenn ich den ganzen Tag auf so einem Bildschirm meine Benachrichtigungen anschaue, werden sie es bald sein. Das 42-mm-Model ist da etwas besser, aber nicht nur für Weitsichtige kein richtiges Lesevergnügen. Antworten könnte ich aber ohnehin nicht richtig, eine Tastatur fehlt nämlich. Ich kann entweder eine vorgefertigte Antwort auswählen oder via Siri versuchen, eine Antwort zu diktieren. Das klappte beim Test im Büro ganz gut, inmitten einer Menschenmasse aber überhaupt nicht. Aber die Uhr kann ja noch viel mehr. Telefonanrufe machen beispielsweise. Der Ablauf ist gleich wie beim iPhone: einfach das Kontaktbuch anklicken und den Namen suchen. Ich versuche, auf diese Weise meine Mutter anzurufen, während ich am Bahnhof auf den Zug warte. Ein Desaster. Einerseits hört sie mich fast nicht, so dass ich meinen Arm ziemlich nahe an den Mund führen muss. Ja, das sieht so doof aus, wie es klingt. Andererseits höre ich sie fast nicht, weil der Lautsprecher für stille Orte gut genug sein mag, für Plätze voller Leute aber definitiv nicht. Nichtsdestotrotz ist die Funktion nicht ein völliger Flop, da man sehr einfach Anrufe abweisen (einfach die Hand aufs Display legen), halten oder ans iPhone weiterleiten kann. Das ist aber, wie ich mittlerweile merke, das grösste Problem, welches ich mit der Apple-Watch habe: Ich sehe den Mehrwert zum iPhone nicht. Was bringt mir die Anruffunktion, wenn ich trotzdem das Telefon für ein Gespräch brauche? Ob ich nun mein Telefon aus der Hosentasche ziehe oder die Uhr an den Mund führe, wahrlich kein grosser Unterschied. Wirklich nützlich ist dafür die Kalenderfunktion. Wer einen Termin nach dem anderen hat, kann problemlos in einer Besprechung auf seiner Uhr sehen, was als Nächstes ansteht. Wer dagegen die ganze Zeit auf sein Handy blickt, dürfte merkwürdig angeschaut werden. Trotzdem, bisher überzeugt mich die Uhr überhaupt nicht.
Tag 4
Vielleicht gelingt ihr das ja mit einer App, die es nur für die Apple Watch gibt. Sie nennt sich «Workout». Da ich passionierter Läufer bin, teste ich sie direkt in der Praxis. Vor Beginn kann ein persönliches Ziel für das Training eingetragen werden oder einfach drauflosgelaufen werden (die App eignet sich auch für andere Sportarten wie Radfahren oder Rudern). Die Uhr misst die Herzfrequenz und errechnet die Zahl der verbrauchten Kalorien. Die Pulsmessung dünkt mich allerdings nicht sehr akkurat. Das weiss ich, weil ich vor drei Tagen beim Arzt einen Fitnesscheck gemacht habe und er mir dort einen Ruhepuls mass, der 10 Schläge tiefer war, als mir die Apple Watch weismachen will. Auch während dem Rennen ist der Puls im Schnitt knapp 10 Schläge höher, als er sonst ist. Ich werde darum für das nächste Training wieder den Brustgurt montieren. Während diese Messfehler der Varianz zugeordnet werden könnten, ist es Fakt, dass die Uhr kein GPS besitzt. Somit ist sie für mich nicht brauchbar, denn ohne GPS sind die Aufzeichnungen zu ungenau. Und will ich GPS, brauche ich wieder das iPhone. Dann kann ich aber auch gleich wieder eine App eines anderen Anbieters wie Runtastic verwenden, die eigene Apps, mit mehr Optionen, für die Apple Watch lanciert haben. Allerdings ist bei 3rd-Party-Apps das Problem, dass diese bisweilen ewig brauchen, bis sie starten. 10-20 Sekunden sind keine Seltenheit. Dafür laufen sämtliche Apps, die von Apple selbst kommen, wirklich flüssig. Nebst Workout gibt es mit Activity noch eine Art Fitness-App von Apple für die Uhr. Diese soll den Träger zu mehr Bewegung animieren, indem sie aufzeigt, wie lange er heute schon gesessen ist, gestanden hat oder trainieren ging. Immer schön mit Diagrammen unterlegt, die auch den Kalorienverbrauch messen. Die Idee ist gut, die App aber so nervig mit ihren ständigen Benachrichtigungen, dass ich diese nach rund drei Stunden ausgeschaltet habe. Gewisse Parameter scheinen hier nicht berücksichtigt worden zu sein. Obwohl mein Uhrenmodell «Sport» heisst, ist es dafür also nur mit Abstrichen zu gebrauchen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: «Tag 5&6»
Tag 5
Apropos Modell Sport. Ich denke, an dieser Stelle sollte ich ein paar Worte über das Design verlieren: Mein Modell gefällt mir ja nicht wirklich. Das liegt einerseits an der Grösse des Displays, andererseits am Armband. Würde ich eine Uhr kaufen, hätte ich einige Möglichkeiten, sie nach meinen Wünschen zusammenzustellen. Die Uhr gibt es mit einem 38mm oder 42mm Display, wobei ich letzteres klar bevorzuge. Dazu kann ich aus verschiedenen Gehäusefarben und noch mehr Armband-Formen und ?Farben auswählen. Diese kosten aber zwischen 59 und 500 Franken, eine Frechheit sondergleichen. Das hat dazu geführt, dass es mittlerweile diverse Firmen gibt, die günstigere Alternativarmbänder anbieten. Aber man stelle sich das mal vor: Ich kaufe eine Uhr ? und muss für ein (schöneres) Armband noch zusätzlich bezahlen. Gut, müssen die Grand-Seigneurs der Schweizer Uhrenindustrie das nicht mehr erleben. Aber auch sonst ist Apple wahrlich keine Design-Perle gelungen. Über die Verarbeitung kann zwar nicht gemeckert werden, Kanten lassen sich keine ertasten. Die eckige Form wirkt aber klobig, kein Vergleich mit der Eleganz von iPhone und iPad. Alle, die sich Apple-Produkte nur aus Stilgründen besorgen, brauchen die aktuelle Uhr nicht zu kaufen. Zum Design gehört auch das Scrollrad. Dieses funktioniert flüssig und ist sehr praktisch. Emails lesen, in Karten reinzoomen, alles kein Problem. Und es lässt sich, ähnlich dem Home-Knopf am iPhone, auch drücken. Anders als der Home-Button hat das Rad aber mehrere Funktionen, je nachdem, wo man sich auf der Uhr befindet. Mit einigem herumexperimentieren hat man die aber schnell raus und danach ist es ziemlich intuitiv. Intuitiver jedenfalls als die Menüführung von der Uhr. Ich wiederhole: Die Menüführung. Bisher Apples absoluter Pluspunkt gegenüber der gesamten Smartphone- und Tabletkonkurrenz. Keine Ahnung darum, was sich die Entwickler hier gedacht haben. Manche Einstellungen müssen zwingend in den Apps auf dem iPhone vorgenommen werden, andere im Unter-Menü der Apple Watch. Und als wäre das noch nicht genug, werden manche Einstellungen ? beispielsweise Nachrichten - direkt aus den Grundeinstellungen des iPhones gezogen. Ich weiss nicht mehr, wo was weshalb zu finden ist. Einfach nur schwach.
Unter dem Scrollrad befindet sich noch eine Taste, die im Gegensatz zur «Krone» nur einen Zweck erfüllt: die zwölf wichtigsten Kontakte zu öffnen, die dann mit dem Rad angewählt werden können. Hat der Gesprächspartner ebenfalls eine Apple Watch, stehen noch weitere Möglichkeiten zur Auswahl: Man kann beispielsweise Zeichnungen verschicken, indem man mit dem Finger auf das Display kritzelt. Oder die Herzfrequenz aufzeichnen und sie dem Gegenüber schicken. Was das aber bringen soll, ist mir unklar.
Tag 6
Ich bin ziemlich frustriert. Da freut man sich, mal wieder etwas potenziell disruptives testen zu können. Und erhält das wohl unnützeste Produkt, das Apple bislang gemacht hat. Aber noch gibt es einige Tests, die ich machen will, bevor ich mir ein endgültiges Urteil erlaube. Beispielsweise, mit der Navigationsfunktion ein rund zwei Kilometer entferntes Kino an meinem Wohnort finden. Dazu sage ich Siri wo ich hinmöchte und erhalte eine Mini-Karte mit Route angezeigt. Mit einem Wisch zur Seite gibt es detailliertere Richtungshinweise. Die Uhr macht sich am Handgelenk bemerkbar, wenn ich nach rechts oder links abbiegen muss. Alles sehr durchdacht und ich finde den Weg problemlos (auch wenn ich zu Beginn jedes Mal dachte, nun ruft mich jemand an). Was fehlt sind einzig gesprochene Routenanweisungen, aber dieses Feature ist trotzdem das bisher klar sinnvollste der Uhr. Im Gegensatz zu Fussgängern, die bei jeder Weggabelung ihr iPhone hervorholen müssen, habe ich hier einen echten Vorteil. Was dagegen nicht gelungen ist: Das Display der Uhr leuchtet immer dann, wenn man das Handgelenk dreht. Lässt man den Arm beispielsweise runterhängen, ist das Display aus. Was eigentlich gut klingt, ist in der Praxis naja. Denn die Funktion arbeitet teilweise mit Verzögerung, so dass man stets ein paar Millisekunden warten muss, bis der Bildschirm leuchtet. Klar, das ist nicht dramatisch, aber eben auch nicht optimal. Und von wegen Energiesparen: Der Akku könnte länger halten. Er ist besser als befürchtet und wer die Uhr jeweils auf der kreativen designten Ladestation lässt, kann sie den ganzen Tag nicht zu exzessiv benutzen. Aber nur weil einmal am Tag aufladen bei Tech-Gadgets «courant normal» bedeutet, muss ich das noch lange nicht gut finden. Lesen Sie auf der nächsten Seite: «Tag 7 - das Fazit»
Tag 7 - das Fazit
Letzter Tag. Zeit, ein Fazit zu schreiben. In Kurzform: Hände weg. In längerer Fassung: Apple hat sich viel Zeit gelassen, eine Smartwatch zu präsentieren, die den Erwartungen nicht gerecht wird. Natürlich, sie hat ein paar gelungene Funktionen, beispielsweise den Kalender oder das Navi. Und einige, die ich nicht getestet habe. Und es werden immer mehr Apps dazukommen, auch von Schweizer Firmen. Sie dürfte also noch besser werden und in späteren Modellen auch essenzielle Möglichkeiten wie GPS oder Internetanbindung bieten. Aber unter dem Strich bleibt die Apple Watch eine Verlängerung des Smartphones. Ohne Telefon ist sie fast nutzlos beziehungsweise muss ich das Telefon bei mir tragen oder es nicht zu weit neben die Uhr legen, weil sonst die Verbindung verloren geht. Und dafür zahle ich keine 600 Franken. Auch keine 100, aber das muss jeder für sich entscheiden. Die Uhr wird sich, so viel ist klar, vor allem für Dinge eignen, deren Ausführung wenige Sekunden braucht und sich der Griff zum iPhone damit nicht lohnt. Einige solcher Möglichkeiten bietet die Apple Watch bereits, man kann theoretisch (praktisch nicht, weil in der Schweiz «Apple Pay» noch nicht verfügbar ist) damit bezahlen und bereits heute via Passbook am Flughafen oder im Zug einchecken. Allerdings wirkt es sehr unnatürlich, wenn ich meinen Arm an einen QR-Scanner halte oder ihn sogar als Telefonhörer benutze. Ich bin gespannt, ob man sich daran gewöhnen kann. Vorläufig jedenfalls habe ich überhaupt kein Problem damit, die Uhr wieder einzupacken und an Steg zurückzuschicken. Ich bedanke mich herzlich für das Testgerät, hoffe aber, dass ich am nächsten mehr Freude haben werde. Die Messlatte dafür liegt nicht besonders hoch.