09.02.2016, 14:30 Uhr

Wie Wikipedia vom Bund für PR missbraucht wird

Mehrere Bundesbeamte haben in der Vergangenheit unliebsame Wikipedia-Einträge Wikipedia umgeschrieben, gelöscht oder manipuliert. Mit Folgen: Schon mehrmals sperrten Administratoren der Internetenzyklopädie den Zugang für die gesamte Bundesverwaltung.
Mehrere Bundesbeamte haben in der Vergangenheit unliebsame Einträge des Nachschlagewerks Wikipedia umgeschrieben, gelöscht oder manipuliert. Mit Folgen: Schon mehrmals sperrten Administratoren der Internetenzyklopädie den Zugang für die gesamte Bundesverwaltung. Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) bestätigte entsprechende Recherchen der Zeitungen Nordwestschweiz und Sdostschweiz. «Das BIT wurde in einzelnen Fällen von Wikipedia kontaktiert, weil die Internet-Netzzugänge vom BIT bewirtschaftet werden», heisst es vom Amt. Der Grund für die Sperrung seien Verstösse gegen die Wikipedia-Richtlinien gewesen. Das BIT schreibt weiter, dass Wikipedia-Administratoren wegen einer Serie «anonymer, regelwidriger Artikelbearbeitungen» gehandelt hätten. Konkret sei die IP-Adresse des Bundes für die Erstellung oder Anpassung von weiteren Wikipedia-Einträgen gesperrt worden.

«Kein Wille zur enzyklopädischen Mitarbeit».

Die Regelverstösse konnten von Wikipedia einfach der Bundesverwaltung zugeordnet werden. Der Grund: Jeder der knapp 30'000 Computer der Bundesverwaltung wird über einen einzigen Ausgang zum Internet geführt und hat gegen aussen die gleiche rückverfolgbare statische IP-Adresse. Im Online einsehbaren Benutzersperr-Logbuch von Wikipedia finden sich unter der IP-Adresse der Bundesverwaltung sodann rund dreissig Meldungen, die seit 2005 zu einer Sanktion geführt haben. Aufgelistet sind kleine Vorstösse wie «wiederholtes Einstellen von Unfug» bis zu «anhaltenden regelwidrigen Bearbeitungen». Zweimal schrieben die insgesamt 227 verantwortlichen Wikipedia-Administratoren für den deutschsprachigen Raum, von der IP-Adresse der Bundesverwaltung sei «kein Wille zur enzyklopädischen Mitarbeit erkennbar». Solche und ähnliche unliebsame Änderungen werden dann meistens innerhalb von wenigen Minuten rückgängig gemacht.

Regeln für Bundesamte fehlen

«Der IP-Adressbereich wurde in der Vergangenheit einzelne Male pro Jahr gesperrt, auch wenn mutmasslich jeweils nur ein einzelner Benutzer gegen die Regeln verstossen hat», schreibt BIT-Mediensprecherin Sonja Uhlmann-Haenni der sda. Wie oft, für wie lange und wann zuletzt das vorkam, könne sie nicht sagen. Auch weshalb die Sperrungen später wieder aufgehoben wurden, wisse sie nicht. Die meisten der tausenden Wikipedia-Anpassungen von Bundesbeamten sind aber regelkonform. Regelmässig greifen die Angestellten bei Rechtschreibfehlern ein oder schreiben über Dinge, die nichts mit ihrer täglichen Arbeit zu tun haben. Den Behörden scheint dies egal zu sein. «Es gibt keine zentralen Richtlinien oder Prozesse für die Bundesverwaltung zur Bearbeitung von Wikipedia-Artikeln», schreibt die Bundeskanzlei. Allfällige Departements- oder Bundesamts-Regelungen müssten bei den einzelnen Departementen erfragt werden.

Piraten verurteilen

Das Verhalten der Beamten ist der Piratenpartei ein Dorn im Auge. «Wir verurteilen solche heimlichen Propagandaaktionen durch Behörden», heisst es in einem Communiqué vom Montag. Sie fordert, dass sich Bundesbeamte künftig beim Editieren und Kommentieren im Web als solche zu erkennen geben. Gleiches soll gelten, wenn Angestellte für den Bund auf Onlineportalen kommentieren.



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