05.06.2015, 11:49 Uhr
TISA-Abkommen will Open-Source einschränken
Die Schweiz handelt mit 49 anderen Staaten ein Dienstleistungsabkommen aus. Hinter verschlossenen Türen. Geleakte Dokumente zeigen aber, dass mindestens Open-Source-Befürworter dabei schlecht wegkommen.
Für Verschwörungstheoretiker ist Genf derzeit der Mittelpunkt des Universums, für Geheimniskrämer ein Schlaraffenland. Seit 2012 verhandelt die Schweiz in Genf gemeinsam mit der EU, den USA und 21 weiteren Staaten über das Handelsabkommen TISA (Trade in Servics Agreement). Ziel ist, ein einen völkerrechtlichen Vertrag zum Handel mit Dienstleistungen abzuschliessen. Sämtliche Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Nicht einmal der WTO-Generalsekretär erhält Zugang. Weil die insgesamt 50 Staaten, die TISA verhandeln, weltweit zwei Drittel aller Dienstleistungen exportieren, ist einleuchtend, dass alle anderen Angst haben, übervorteilt zu werden. Da ist die Whistleblower-Plattform Wikileaks ein Segen für die TISA-Gegner. Im letzten Jahr verffentlichte Wikileaks erste Dokumente zu den Verhandlungen. Am Mittwoch kamen 17 weitere dazu, wie Xing-News berichtet. Für uns besonders brisant sind die Bestimmungen ber den elektronischen Handel. Befürworter von Open-Source-Software müssen jetzt stark sein: In Artikel 6 des Entwurfs heisst es:
Übersetzt: Kein Land, das sich den TISA-Regeln unterwirft, darf internationale Ausschreibungen vornehmen, in denen Freie oder Open-Source-Software vorgesehen ist. Im nächsten Abschnitt werden folgende Einschränkungen gemacht: Diese Bestimmungen gelten nur für Software, die im Massenmarkt eingesetzt wird und nie für Software, die für kritische Infrastrukturen benötigt wird. Das bedeutet also nicht, dass Behörden keine Open-Source-Software mehr einsetzen dürfen. Aber sie müssen in Ausschreibungen stets auch Anbieter proprietärer Software berücksichtigen. Dr. Matthias Stürmer vom Verein Swiss Open Systems User Group /ch/open, gefällt das geplante TISA-Abkommen überhaupt nicht: «Es muss möglich sein, nur Open-Source ausschreiben zu können. Es braucht natürlich inhaltliche Gründe dafür, aber die gibt es durchaus. Wer besonders auf Transparenz oder Datensicheherheit Wert legen muss, sollte beispielsweise proprietäre Anbieter ausschliessen können.» In der SIK Arbeitsgruppe Open Source Software habe man genau dieses Thema juristisch abklären lassen und arbeite derzeit daran, entsprechende Beschaffungsrichtlinien zu verabschieden. Wenn allerdings dieses geleakte TISA-Abkommen ratifiziert wird, wären diese Bemühungen umsonst gewesen. Die Ecommerce-Bestimmungen behandeln noch weitere Punkte, die brisant sind. Wer sich für Themen wie Netzneutralität, Spam-Richtlinien oder Konsumentenschutz interessiert, sollte entweder das Originaldokument durchlesen, oder die Analyse, welche Wikileaks-Mitarbeiter bereits erstellt haben.