25.09.2014, 12:20 Uhr

BÜPF-Kosten explodieren - aber stimmt die Rechnung?

BÜPF-Gegner horchen auf: neue Zahlen sagen, dass die Kosten für die Provider bei einer Annahme der aktuellen Revision explodieren würden. Die Politiker würden dann das BÜPF ablehnen. Allerdings sind die Zahlen übertrieben.
Neue Zahlen zur BÜPF-Überwachung lassen die Nationalräte hellhörig werden. Nun wird geprüft, wie akkurat die Rechnung ist
430 Millionen Franken soll die BÜPF-Revision die betroffenen Unternehmen in den ersten beiden Jahren kosten. Das schreibt eine Gruppe von BÜPF-Gegnern um Swico-Geschäftsführer Jean-Marc Hensch. Weil sie sich die Auflagen wie den 24-Stunden-Betrieb nicht leisten könnten, würden dazu 120 Mini-ISPs ruiniert. Die Zahlen wurden durch Anfragen bei Providern eruiert, sagt Jean-Marc Hensch am Telefon. Die Rechnung ist vor allem für die Nationalräte interessant, die in der BÜPF-Debatte sehr auf Zahlen fokussiert sind und bald über das BÜPF abstimmen werden. Wie genau gerechnet wurde, wird nicht gesagt, es wird lediglich erklärt, was Initial- und Betriebsaufwand nach der Definition der Interessensgruppe um Hensch bedeutet. Aber stimmt darum die Rechnung? Bei den Big-4 (Swisscom, Cablecom, Sunrise, Orange) wurde beispielsweise ein Initialaufwand von durchschnittlich 12 Millionen Franken festgemacht. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass diese Unternehmen bereits heute fürs BÜPF Daten speichern und die benötigte Infrastruktur deshalb schon in Betrieb haben. Jean-Marc Hensch gibt auf Nachfrage zu, «dass die Rechnung verschiedene Unschärfen aufweist. Würde man einen Berater engagieren, würde dieser vielleicht auf einen kleineren Betrag kommen.» Aber das sei ja nicht so wichtig. «Die Parlamentarier wollen Informationen. Aber der Bund gibt nur minimale Infos und rechnet nur, was bereits beschlossene Sache ist», rechtfertigt sich Hensch. «Wir brauchen einfach eine Hausnummer.»

«Anbieter speichern Randdaten ohnehin»

Die Rechnung ist also populistisch, in Bern dürfte sie dennoch Beachtung finden. Die Parlamentarier, die besonders an den Zahlen interessiert sein dürften, sind die Mitglieder der nationalrtlichen Kommission fr Rechtsfragen. Denn diese bereitet das BÜPF-Geschäft vor und gibt der grossen Kammer ihre Empfehlungen ab. Ihr Präsident, Alec von Graffenried (GPS/Bern), kommentiert die Zahlen wie folgt: «Ich halte die Schätzung für viel zu hoch», fügt aber etwas an, das die BÜPF-Gegner freuen dürfte: «Zu diesem Preis lohnt sich die Überwachung nicht. Heute gehe ich von Kosten von rund 20 Millionen Franken aus.» Die Überwachung werde zwar infolge der technologischen Entwicklung immer komplizierter, sagt von Graffenried, er gehe daher von steigenden Kosten aus. «Eine Kostensteigerung von mehr als 20 bis 30 wäre aber kaum nachvollziehbar und würde ich auch nicht unterstützen.» 430 Mio seien jenseits von Gut und Böse. Von Graffenried sagte noch etwas interessantes, das in der bisherigen Diskussion untergegangen ist: «Ich bin überzeugt, dass die Anbieter die gesamten Randdaten ohnehin speichern. Ich würde keine Handyrechnung bezahlen, bei der mir der Anbieter nicht nachweisen könnte, (1) wann ich (2) wo (3) mit wem (4) wie lange telefoniert habe bzw. gesurft habe. » Bislang hatten die Parlamentarier Zahlen der Firma KPMG zur Verfügung, die eine Evaluation vor zwei Jahren vornahm. Dabei kam heraus, dass kleine Fernmeldedienstanbieter in den Jahren 2007 bis 2012 im Schnitt 22 867 Franken für die Überwachung ausgaben. Dies bei durchschnittlichen Gesamtinvestitionen von 98 733 Franken. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Natalie Rickli will den Staat bezahlen lassen

«Riesige Differenz zwischen Wirtschaft und Verwaltung»

Die Zahlen von KPMG waren demnach deutlich moderater als in den nun veröffentlichten Zahlen der BÜPF-Gegner, die von durchschnittlichen Investitionen von 130 000 Franken für kleine Anbieter ausgehen. Natalie Rickli (SVP/ZH), die ebenfalls in der Rechtskommission sitzt, sieht dies auch so: «Es besteht in der Tat eine riesige Differenz zwischen den Angaben der Wirtschaft/Swico und der Verwaltung. Die Kosten werden wir in der nächsten Kommissionssitzung besprechen.» Sie ist grundsätzlich der Meinung, dass Sicherheit Staatsaufgabe sei, der darum die Mehrheit der Kosten übernehmen müsste. Zu einem komplett anderen Schluss kam in diesem Januar die sicherheitsrechtliche Kommission des Ständerats. Diese war der Meinung, dass der Staat vllig von den berwachungskosten befreit werden msste. Mit der Frage konfrontiert, ob die Kommission auch mit Wissen der neuen Zahlen so entscheiden würde, sagte ihr Präsident, Stefan Engler (CVP/GR): «Der Ständerat als Erstrat beurteilte die finanziellen Auswirkungen für die Provider aufgrund der KPMG Studie. Inwieweit die Swico Hochrechnung berücksichtigt, dass der Leistungs- und Mitwirkungsumfang nicht alle Providerin gleichem Masse trifft, kann ich nicht beurteilen. Schliesslich kann die Hochrechnung auch aufgrund der fehlenden Ausführungsgesetzgebung kaum eine Punktlandung sein.»

«Gleiche Diskussion bei Fantransporten»

Edith Graf-Litscher (SP/Thurgau), sitzt nicht in der Kommission, hat sich in den letzten Monaten aber intensiv mit dem BPF auseinandergesetzt. Sie schliesst sich der Meinung ihrer Kollegen an: «Ich erachte die Zahlen der Interessensgruppe als zu hoch. Und ich kann nicht nachvollziehen, wie gerechnet wurde.» Sie werde darum nun Kontakt mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartment (EJPD) aufnehmen und verlangen, dass diese ihrerseits eine Kalkulation erstellen. «Wir hatten die gleiche Diskussion, als ich mich kürzlich mit Fantransporten beschäftigte. Während die Verbände von effektiven Sachkosten in Höhe von 160 000 Franken sprachen, sprach die SBB von ungedeckten Kosten in Höhe von 3 Millionen Franken.» Der Nationalrat wird vermutlich in der Frühlingssession über das BÜPF abstimmen, glaubt Graf-Litscher. «Ich gehe nicht davon aus, dass die Abstimmung in der Wintersession stattfindet. Dort werden wir die Hauptzeit für den Finanzvorschlag und die Energiewende brauchen. Daneben haben nur wenige Geschäfte Platz. Zudem beginnt die Diskussion der zuständigen Kommission erst, die wird auch noch Zeit brauchen. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Geschäft erst im Frühling im Nationalrat beraten wird.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Kommentar
Kommentar:
Zwar ist die Rechnung ungenau, das gibt Hensch selber zu. Da aber auch die Verwaltung, in dem Fall das EJPD, die Zahlen verfälscht darstellen dürfte, sind sie dennoch interessant. Es scheint klar zu werden, dass die Politiker nicht gewillt sind, zu viel Geld für die Überwachung auszugeben. Zuerst wollen sie aber eine transparente Rechnung. Die BÜPF-Gegner sind nun gefordert, diese zu liefern. Und zwar möglichst schnell. 
Überdies muss aber in Frage gestellt werden, ob es wirklich sinnvoll ist, dass sich die Parlamentarier derart auf die Zahlen fokussieren. Schliesslich geht es bei der Überwachung auch um andere Themen. Sollen tatsächlich auch Hotels ihre Daten speichern müssen, nur weil sie WIFI anbieten? Ist es wirklich nötig, Daten 12 Monate zu speichern, wenn die Polizei ihre grössten Ermittlungserfolge in den ersten paar Wochen verbucht? Soll die Polizei befugt werden, Trojaner auf unseren Computern zu installieren? Was zur entscheidenden Frage führt: wie viel Freiheit soll geopfert werden, um die Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten? Dies nur an Kosten festzumachen, ist sicherlich der falsche Ansatz.vof



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