26.02.2015, 16:19 Uhr

Schleichender Routerzwang bei Swisscom

Swisscom setzt bei der Voip-Telefonie offensichtlich auf die eigenen Router. Dies berichten Nutzer. Der Fernmelderiese führt Sicherheitsgründe ins Feld.
Wer den Internet-Telefonie-Dienst «All IP» von Swisscom in Anspruch nehmen will, muss unweigerlich die Router des Schweizer Telekomriesen verwenden. Denn für die Konfiguration alternativer Geräte gebe Swisscom offenbar die Zugangsdaten, die sogenannten SIP Credentials (Session Initiation Protocol) nicht heraus, wurde Computerworld mitgeteilt. Dies scheint kein Einzelfall zu sein: So berichtet ein «Fabian» in einem Kommentarzu einem Artikel zum Routerzwang auf der Webseite von Rechtsanwalt Martin Steiger, steigerlegal.ch, er könne seinen bestehenden Router des Typs Fritzbox nicht mehr für den Dienst «All IP» verwenden. «Nur weil Swisscom die SIP nicht rausrückt, kann ich die Fritzbox und dessen Telefon nicht mehr weiter nutzen und werde gezwungen die Swisscom-Router zu verwenden», schreibt der erboste Anwender.
Martin Steiger nimmt denn im Namen der Digitalen Gesellschaft Schweiz auch gegenüber Computerworld klar Stellung: «Wir lehnen den faktischen Routerzwang bei Swisscom (und teilweise auch anderen Schweizer Internet Access Providern) ab». Der Routerzwang sei konsumentenfeindlich und nicht zeitgemäss, ist er überzeugt. «Konsumentinnen und Konsumenten sollten frei wählen können, welche 'digitale Haustür' sie verwenden», meint Steiger weiter. Bei VoIP sollten die Konsumenten selbst entscheiden können, wo und mit welchen Geräten sie telefonieren möchten.

Auslesen aus dem Centro-Grande-Router der Swisscom

Anscheinend gibt es eine Möglichkeit, die SIP-Informationen aus dem Centro-Grande-Router der Swisscom auszulesen. Wie das geht, ist hier beschrieben. Doch damit nicht genug. Steiger sieht auch Sicherheits-Probleme. «Routerzwang bedeutet ausserdem auch, dass Swisscom jederzeit auf die Router daheim bei den Konsumenten zugreifen kann, weil sie die Zugangsdaten kennt», gibt er zu bedenken. Einen solchen Zugang könnten nämlich Kriminelle, aber auch Geheimdienste wie die amerikanische NSA zur Überwachung sowie für Cyber-Attacken nutzen, warnt der IT-Rechtsexperte folglich.

Swisscom nennt Sicherheitsgründe

Wie Swisscom-Sprecher Olaf Schulze auf Anfrage von Computerworld erklärt, seien es vor allem Sicherheitsgründe, die den Fernmelder dazu bewegen, auf eine Herausgabe der SIP Credentials zu verzichten. So sieht er eine Missbrauchs- und Betrugsgefahr. «SIP Credentials sind grundsätzlich auf allen Geräten einsetzbar. Werden bewusst oder unbewusst diese Credentials an Dritte weitergeleitet, kann der Account des Kunden missbraucht werden», argumentiert Schulze. Frei am Markt erhältliche Router, respektive Endgeräte seien darüber hinaus ein leichtes Ziel für Hacker. «Mit den aus diesen Geräten entwendeten Kundendaten kann der Hacker innert kürzester Zeit grossen Schaden anrichten», meint er. Daneben befürchtet man Qualitätsverluste. «Swisscom steht für einen erstklassigen Sprachdienst; nicht korrekt eingestellte und qualitativ minderwertige Geräte können zu Qualitätsverlusten führen», so Schulze. Schliesslich sei das Einrichten des Sprachdienstes sehr komplex mit vielen komplizierten Einstellungen. Generell hält Schulze abschliessend fest, dass beliebige Router angeschlossen werden könnten. «Swisscom kann aber in dem Fall nicht das reibungslose Zusammenspiel etwa mit Swisscom TV garantieren», so der Swisscom-Sprecher.

Deutschland plant Gesetz

In Deutschland scheint die Politik das Problem erkannt zu haben. Hier ist derzeit ein Gesetzesentwurf in Arbeit, der die freie Routerwahl garantieren soll. Laut Steiger sind vergleichbare gesetzliche Bemühungen in der Schweiz bislang nicht geplant. «Swisscom und andere Internet Access Provider lobbyieren mit viel Einsatz gegen jegliche gesetzliche Verankerung der Netzneutralität», meint er. Steiger findet denn auch den deutschen Vorschlag richtig: «Wir begrüssen grundsätzlich den Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Routerzwangs in Deutschland. Jeder Konsument sollte den verwendeten Router sowie überhaupt die verwendeten Endgeräte selbst auswählen können. Dazu müssen die entsprechenden Nutzerangaben sowie die notwendigen Informationen zur Konfiguration ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden.»



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