20.02.2014, 11:50 Uhr
Vorsicht vor unbedachten Äusserungen auf Facebook und Co.
Kündigung wegen Facebook! Derartige Schlagzeilen sind in den Medien immer wieder mal zu lesen. Wann sind solche Kündigungen aber rechtens? Die Schweizer IT-Rechtsexperten Christine Tramontano und Oliver Staffelbach geben Auskunft.
Im Zeitalter der Social Media stellen sich aus arbeitsrechtlicher Sicht immer wieder grundlegende Fragen. So beispielsweise, inwieweit sich der Arbeitnehmer über seinen Arbeitgeber auf öffentlichen Plattformen wie Facebook und Co. äussern darf und wann Vorsicht geboten ist. Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber stehen in einer gegenseitigen persönlichen Bindung. Aus dieser Bindung entsteht eine allgemeine Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dessen Arbeitgeber. Sie verpflichtet den Arbeitnehmer, «die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren». Diese Interessen müssen selbstverständlich in einem genügenden Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen und sind nicht unbegrenzt zu berücksichtigen. Aufgrund der Treuepflicht als Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer grundsätzlich alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber Schaden zufügt. Die Bindung an diese Treuepflicht schränkt den Arbeitnehmer somit auch in seiner Meinungsäusserungsfreiheit, also darin, was er über seinen Arbeitgeber sagen darf, ein. Verletzt er diese Treuepflicht, kann das gravierende Folgen nach sich ziehen. Im schlimmsten Fall droht die fristlose Kündigung. Zwingende Voraussetzung für die sofortige Auflösung des Arbeitsvertrages ist jedoch, dass ein sogenannt «wichtiger Grund» vorliegt, der die weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht. Die fristlose Kündigung ist also nur bei besonders schweren Verletzungen der Treuepflicht gerechtfertigt. Entsteht dem Arbeitgeber durch Aussagen des Arbeitnehmers ein Schaden, so kann der Arbeitnehmer unter Umständen auch haftbar gemacht werden. Führt also die Äusserung des Arbeitnehmers beispielsweise dazu, dass der Arbeitgeber Kunden verliert, kann er den Arbeitnehmer dafür unter gegebenen Voraussetzungen belangen. Zu den milderen Massnahmen, zu denen der Arbeitgeber allenfalls greifen kann, zählen die Verwarnung, das Ergreifen von Disziplinarmassnahmen, falls im Arbeitsvertrag oder in einem Reglement vorgesehen, oder das Einstellen von freiwilligen Sozialleistungen. Aufgrund der verhältnismässig liberalen Kündigungsfreiheit in der Schweiz könnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei negativen Äusserungen vielfach auch ordentlich, also unter Einhaltung der entsprechenden Kündigungsfrist, kündigen. Nächste Seite: Wieviel Kritik darf sein?
Negative Äusserungen durch den Arbeitnehmer - auch über soziale Netzwerke - können also eine Treuepflichtverletzung darstellen und sehr einschneidende Folgen für diesen haben. Dass dazu nicht jede kritische Äusserung ausreicht, versteht sich von selbst. Die genauen Grenzen, die der Arbeitnehmer zu beachten hat, sind derzeit noch nicht klar. So ist in der Schweiz z.B. noch nicht gerichtlich geklärt, ob die Verwertung und Verwendung von Aussagen, die auf privaten Plattformen gemacht werden und auf die der Arbeitgeber keinen Zugriff hat, zulässig ist. Fest steht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei seinen privaten Aktivitäten auf sozialen Netzwerken nicht aktiv kontrollieren darf. Das bedeutet, dass er nicht auf dem Facebookprofil des Arbeitnehmers herumschnüffeln darf. Erfährt er jedoch auf andere Art und Weise von negativen Aussagen, welche der Arbeitnehmer über ihn macht, kann er diese grundsätzlich gegen den Arbeitnehmer verwenden. So muss der Arbeitnehmer z.B. damit rechnen, dass jemand seine Aussage re-posted oder liked und diese dann nicht mehr in seinem Kontrollbereich sind. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers sowie ihre potentielle Verletzung werden nachfolgend an ein paar Anschauungsbeispielen aufgezeigt:
1. Der Arbeitnehmer schreibt wahrheitswidrig auf Facebook, dass sein Vorgesetzter ausländische Mitarbeiter diskriminiert
Wer jemanden wider besseres Wissen eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt, macht sich bei gegebenen Voraussetzungen der Verleumdung schuldig. Solche wahrheitswidrigen Äusserungen sind ehrverletzend und stellen grundsätzlich eine Verletzung der Treuepflicht des Arbeitnehmers dar. Unter Umständen kann dieser auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Ehrverletzende Äusserungen können eine fristlose Entlassung rechtfertigen. Es sind die konkreten Umstände zu prüfen. Erst wenn das Vertrauensverhältnis derart geschädigt ist, dass dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, ist die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Im Zweifelsfall sollte er zunächst eine Verwarnung unter Androhung der fristlosen Kündigung aussprechen. Nächste Seiten: Welche Rechte hat man als Whistleblower?
2. Der Vorgesetzte bezahlt die Löhne der Mitarbeiter nicht. Darf der Arbeitnehmer diese Information ins Netzt stellen?
Auch bei wahrheitsgetreuen Aussagen dieser Art ist grosse Vorsicht geboten. Sogenanntes Whistleblowing, verstanden als kritische Aktivität von Arbeitnehmern, die auf Missstände hinweisen, darf in der Öffentlichkeit nur sehr zurückhaltend gemacht werden.
Der Arbeitgeber hat zwar an der Fortsetzung rechtswidriger Praktiken kein berechtigtes Interesse, und deshalb stellt das Whistleblowing grundsätzlich keine Verletzung der Treuepflicht dar. Die Treuepflicht verlangt jedoch vom Arbeitnehmer, dass er beim Whistleblowing den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahrt. Dies bedeutet, dass er nicht sofort mit solchen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen darf, sondern zunächst versuchen sollte, im Unternehmen selber an die geeignete Stelle zu gelangen, um auf allfällige Missstände aufmerksam zu machen. Dem Arbeitgeber soll damit die Möglichkeit gegeben werden, die rapportieren Missstände zu beheben und damit eine Rufschädigung zu verhindern. Erst wenn dies nichts nützt, kann er sich an die zuständige Behörde wenden. Wenn auch diese untätig bleibt, darf der Arbeitnehmer an die grosse Öffentlichkeit gelangen. Selbstverständlich kann der erste Schritt – Unterrichtung des Arbeitgebers – unterbleiben, wenn es für den Arbeitnehmer unzumutbar ist, wenn es sich um schwere Verbrechen handelt oder wenn der Arbeitnehmer zur Anzeige verpflichtet ist. Diese Grundsätze gelten auch für über soziale Netzwerke getätigte negative Aussagen. Im konkreten Fall würde eine Äusserung auf Facebook, die zum Inhalt hat, dass der Vorgesetzte die Löhne nicht bezahlt, also grundsätzlich ebenfalls die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzen. Der Arbeitnehmer müsste zunächst an die geeignete interne Stelle gelangen. Allerdings wäre hier eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur sehr zurückhaltend gerechtfertigt. So beispielsweise, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Aussage Kundenaufträge verlieren würde und er in existenzielle Schwierigkeiten käme. Zur Beantwortung der Frage, ob eine ausserordentliche Kündigung gerechtfertigt ist, müssen immer der spezifische Fall und die gesamten Umstände berücksichtigt werden. Nächste Seite: So weit kann man bei Kritik am Arbeitgeber gehen
3. Der Arbeitnehmer schreibt auf Facebook, dass er sich bei der Arbeit langweilt
Eine solche Aussage wird wohl kaum die Treuepflicht des Arbeitnehmers verletzen und dürfte für diesen keine grossen rechtlichen Konsequenzen haben. Allerdings kann sie beim Arbeitgeber einen schlechten Eindruck hinterlassen, sollte dieser davon erfahren.
4. Der Arbeitnehmer schreibt auf Twitter, dass sein Vorgesetzter inkompetent sei
Bei solch diffamierenden Äusserungen bewegt sich der Arbeitnehmer wieder im Bereich der Ehrverletzungsdelikte. Auch hier gilt, was unter dem ersten Beispiel schon gesagt wurde. Grundsätzlich können solche Äusserungen zu einer fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, wenn deren Fortsetzung für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist. Zum Thema Social Media und den damit zusammenhängenden arbeitsrechtlichen Aspekten gibt es noch keine verlässliche Gerichtspraxis und auch in der Literatur findet sich wenig zu solchen Themen. Klar ist, dass Aussagen, welche auf Onlineplattformen gemacht werden, die Treuepflicht des Arbeitgebers verletzen können. Weniger klar ist, ob und wie der Arbeitgeber diese Aussagen im Einzelnen verwerten kann. Erfährt er von ehrverletzenden Aussagen, ohne dass sie aus einer unerlaubten Überwachung des Arbeitnehmers resultieren, berechtigen sie diesen zu Massnahmen von der Verwarnung bis zur fristlosen Kündigung. Allerdings ist die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur bei sehr schweren Treuepflichtverletzungen gerechtfertigt. Unabhängig vom Verwertungsrecht des Arbeitgebers sollte der Arbeitnehmer bei Äusserungen, die er im Internet macht, Vorsicht walten lassen. Er weiss nie, wer mitliest!