Xavier Niel
19.12.2014, 10:45 Uhr
Sex-Pionier, Gefängnisinsasse, Telko-Wunder
Xavier Niel kauft sich Orange Schweiz. Daneben besitzt er eine der wichtigsten Zeitungen der Welt, die Rechte am Lied «My Way» und einen extrem erfolgreichen französischen Telko-Anbieter. Alles ermöglicht durch Erotik-Angebote, die ihn zwischenzeitlich ins Gefängnis brachten.
Kurz vor Weihnachten wurde der Schweizer Telko-Markt derart in Aufregung versetzt, wie seit Jahren nicht mehr. Xavier Niel (57) kauft Orange Schweiz fr 2,8 Milliarden Franken. Falls die Behörden dem Handel zustimmen, zahlt Niel dem bisherigen Eigentümer Apax 800 Millionen mehr, als die 2012 für den Kauf hinlegen mussten. Obwohl bei Orange Schweiz in der Zwischenzeit kaum etwas Substanzielles geschehen ist, wie Telekomexperte Ralf Beyeler von Comparis sagt. Einzig der Kundenservice sei massiv schlechter geworden. Für die Swisscom brachte die Ankündigung schlechte Neuigkeiten, die Aktie verlor gestern rund 8 Prozent. Anleger und Analysten scheinen davon auszugehen, dass der neue Besitzer eine Tiefpreisstrategie fahren wird, was die Swisscom zwingen wird, die Preise anzupassen. Obwohl in den letzten 15 Jahren die Konkurrenz dies bereits versucht hat und Swisscom dennoch seit der Liberalisierung nicht unter 60 Prozent Markanteil gefallen ist. Xavier Niel aber, scheinen die Leute zu glauben, kann an diesem Bild etwas ändern. Wie er es auch in Frankreich gemacht hat.
Von 2 auf 9 Millionen in 3 Jahren
Niel ist Chef der französischen Firma Iliad, die vor fünf Jahren mit ihrem Anbietern «Free Mobile» eine Mobilfunklizenz ersteigern konnte und die Konkurrenz zwang, ihre Tiefpreisstrategie zu übernehmen. Doch mithalten konnte diese nicht. Vor drei Jahren hatte Free Mobile 2 Millionen Nutzer, heute sind es 9 Millionen. Der Konzern Iliad hatte Ende 2013 knapp 7000 Angestellte und setzte rund 4 Milliarden Franken um. Ob die Preisdumpingstrategie aber auch in der Schweiz funktioniert, bleibt abzuwarten. Generell gelten Schweizer Kunden als nicht sehr preissensitiv und ? wenn sie überhaupt wechseln wollen ? bevorzugen gute Dienstleistungen. Und da hatte Niel zu Beginn Probleme. Technische Schwierigkeiten sorgten immer dafür, dass Versprechungen nicht eingehalten werden konnten; den Franzosen war das nicht so wichtig. Wie das in der Schweiz aussieht, muss sich weisen.
Niels Stärke: immer einen Schritt voraus
Klar ist, dass sich die Schweizer Wirtschaft auf einen Mann freuen darf, der ein bewegtes Leben hinter sich hat. Seine Karriere begann Niel als Informatiker, er gehörte zu den Pionieren von Minitel, einem rund 30 Jahre lang ausschliesslich in Frankeich genutzten Online-Dienst. Eigentlich als Alternative zum gedruckten Telefonbuch gedacht, erkannte Niel, dass sich das System auch für Dinge eignete, die vor allem den erwachsenen Franzosen mehr interessieren. Mit Sex-Angeboten schuf Niel den Grundstein seines Vermögens, das heute laut dem Wirtschaftsmagazin «Challenges» 8,5 Milliarden Euro beträgt und ihm damit zum neunt-reichsten Franzosen macht. In seiner ganzen Karriere bewies Niel, dass er der Konkurrenz meist einen Schritt voraus ist. So investierte er unter anderem 1995 in den ersten französischen Internet Service Provider «World-Net» und verkaufte sie ein Jahr bevor die Dotcom-Blase platzte. Bereits 1991 gründete er Iliad, der Erfolg des Konzerns stellte sich aber erst 1999 ein, als er mit «Free» einen ISP schuf, der ? im Gegensatz zur Konkurrenz ? freien Modemzugang gewährte und gleichzeitig als einer der ersten Anbieter Telefon, TV und Internet als Paketangebot offerierte. Doch nicht jedes Geschäft gelang Niel. Er wollte dieses Jahr bereits die französische Bouygues Telecom und T-Mobile US kaufen, scheiterte aber zweimal. Orange ist damit das bisher grösste Auslandgeschäft des Mannes, der in seinem Leben auch schon wegen Missbrauch von Geschäftsvermögen verschiedener Sex-Shops im Gefängnis sass, die Co-Rechte am Lied «My Way» von Frank Sinatra besitzt und mit «Le Monde» Eigentümer einer der weltweit renommiertesten Zeitungen ist. Ob er es schafft, dem Schweizer Telekommarkt neues Leben einzuhauchen, muss sich weisen. Klar ist, dass er das Potenzial hat, der Swisscom das Leben sehr schwer zu machen.