16.04.2013, 12:00 Uhr
Streit über Urheberrecht im Web-Zeitalter
Auf Geheiss von Bundesrätin Simonetta Sommaruga diskutieren Künstler, Konsumenten und Wirtschaft über das Urheberrecht im Internet-Zeitalter. Konsens ist (noch) nicht in Sicht.
Von den USA wird die Schweiz für die laxe Praxis bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungenim Internet gegeisselt. Seit dem Sommer vergangenen Jahres diskutieren auf Geheiss von Bundesrätin Simonetta Sommaruga Vertreter von Künstlern, Produzenten, Verbraucherorganisationen und Verwertungsgesellschaften die Überarbeitung des Urheberrechts. Dafür wurde die Arbeitsgruppe AGUR12 gegründet. An einem Anlass der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit am Montag in Bern legten die Beteiligten ihre Positionen dar. Emanuel Meyer, Leiter Rechtsdienst des Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum, gab einen Zwischenbericht aus der Arbeitsgruppe AGUR12. Trotz weiter unterschiedlicher Meinungen habe man unterdessen Lösungsansätze auf dem Tisch, sagte Meyer. Vorschläge reichten von einer Kultur-Flatrate für die nichtgewerbliche Nutzung von geschützten Werken über die Selbstregulierung der Internet Service Provider bis hin zu Warnhinweisen an die Adresse der Verbraucher. Tendenziell, so der Experte, würden die Möglichkeit der Selbstregulierung des Marktes intensiv diskutiert. «Welcher Vorschlag Ende Jahr an Frau Sommaruga geht, ist aber noch nicht entschieden», schloss Meyer. Für eine striktere Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen plädierte Hans Läubli, Geschäftsführer des Künstler-Dachverbandes Suisseculture. Er möchte den heute zwischen 50 und 70 Prozent Downloads aus illegalen Quellen hierzulande einen Riegel vorschieben. Ein Vorschlag der Künstler sei, die Provider künftig stärker in die Pflicht zu nehmen. Für weitergehende Sanktionen sieht er allerdings schwarz: «Es gibt derzeit keine politische Mehrheit für ein Verbot von Downloads aus illegalen Quellen», sagte Läubli der Computerworld.
Urheberrecht im Web 2.0
«Das Urheberrecht passt nicht mehr in die heutige gesellschaftliche Realität», provozierte Felix Stalder, Professor für Digitale Kultur an der Zürcher Hochschule der Künste. Das Schaffen von neuen Werken unter Zuhilfenahme von geschütztem Material in beispielsweise Remixes oder Mash-ups mache auch User zu Urhebern, die keinen Plattenvertrag oder Tonstudio besässen. Auch könnten Links zu urheberrechtlich geschütztem Material in der Facebook-Timeline schon zu Abmahnungen führen. Damit bewegten sich allein in der Schweiz rund drei Millionen Personen täglich in einer rechtlichen Grauzone. «Das Ziel der Politik muss es sein, das Urheberrechtsgesetz der modernen Alltagskultur anzupassen», forderte Stalder.
Dass Kunstschaffende allein auf die Vertriebserlöse ihrer Werke und die Vergütungen der Verwertungsgesellschaften angewiesen sind, bezweifelte Andreas von Gunten, Co-Präsident des Vereins Digitale Allmend. Beispielsweise gäbe es heute für Musiker mit Bandcamp, Soundcloud oder YouTube attraktive Plattformen, die ohne grosse finanzielle Investitionen den Start einer Karriere erlaubten. Wer für ein Kunstprojekt dennoch Geld benötige, könne via Crowdfunding um Zuschüsse bitten. Mit Blick auf die althergebrachten Erlösquellen von Musikern stellte von Gunten die Frage nach den tatsächlichen Verlusten durch Piraterie. Die Einbussen könnten seiner Meinung nach nicht beziffert werden. «Wer Kultur fördern will, muss das offene Netz unterstützen, und nicht die Piraten jagen», betonte von Gunten.