Graphax-CEO
26.04.2016, 17:00 Uhr
«Gedruckt wird trotz Digitalisierung»
Wenn Unternehmensdaten ausschliesslich elektronisch gespeichert werden, braucht es keine Drucker mehr. Das ist ein Trugschluss, sagt Graphax-CEO Daniel Eckert im Interview.
Bei der Digitalisierung interner Geschäftsprozesse sind Schweizer Anwenderunternehmen bereits weit fortgeschritten. Das ergab die Umfrage «Swiss IT» unter rund 400 Firmen. Auf Papier gedruckt wird trotzdem noch, sagt Daniel Eckert, CEO von Graphax, im Gespräch mit Computerworld. Der Experte beobachtet aber auch, dass das Druckvolumen stagniert. Wie sich der Schweizer Exklusiv-Partner von Konica Minolta neu aufstellt und für welche Kundenbedürfnisse Graphax aktuell noch keine Lösung hat, sind weitere Themen im Interview. Wird noch gedruckt, wenn doch alles digitalisiert ist? Registrieren Sie, dass Ihre Kunden weniger drucken? Daniel Eckert: Ein klares nein. Ein Beispiel illustriert das: Wenn ich früher mit einem Mitarbeiter eine Zielvereinbarung geschlossen habe, habe ich das Dokument ausgedruckt, unterschrieben und in einem Ordner abgelegt. Zum nächsten Zielüberprüfungsgespräch wurde das Papier dann wieder hervorgeholt. Heute wird das Dokument zwar elektronisch abgelegt, vor dem nächsten Mitarbeitergespräch wird es aber trotzdem erneut ausgedruckt.
Digitalisierung im Geschäft bedeutet nicht, dass nichts mehr gedruckt wird. Vielmehr werden Dokumente nicht in einem Ordner, sondern elektronisch abgelegt. Ob sie bei Bedarf trotzdem ausgedruckt werden, entscheidet der Anwender von Fall zu Fall. Tendenziell wird aber das gleiche Dokument mehrmals ausgedruckt. Die Digitalisierung des Geschäfts hat keinen Einfluss auf die Druckpraxis? Doch. Wir registrieren eine Veränderung im Druckverhalten: Früher war die Praxis, dass zuerst gedruckt und dann verteilt wurde. Das hat sich mittlerweile umgekehrt: Dokumente werden via E-Mail verschickt und dann am jeweils lokalen Printer gedruckt. Aber bis die Leute wirklich auf den Druck verzichten und mehrseitige PDFs am PC-Bildschirm lesen, braucht es noch Zeit. In Büro-Umgebungen wollen die Menschen immer noch ein Papier in der Hand haben. Entsprechend registrieren wir bei unseren grössten Kunden bis anhin keine Verringerung des Printvolumens. Die Zahl gedruckter Seiten steigt zwar nicht mehr, sie sinkt aber auch nicht. Was bedeutet Digitalisierung für Graphax, was für Ihre Kunden? Für die Kunden bedeutet Digitalisierung, dass sie gewisse Geschäftsprozesse automatisieren können. Ein Beispiel ist der Rechnungseingang: Früher wurde in dezentral organisierten Unternehmen eine Rechnung zentral empfangen, intern weitergeleitet, vom Kostenstellenleiter geprüft und avisiert. Heute lässt sich ein Workflow aufsetzen, in dem auch definiert ist, wer den Kostenstellenleiter vertritt, wenn er in den Ferien weilt. Mit den gleichen Methoden arbeitet auch Graphax: Wir haben begonnen, alle Dokumente digital abzulegen. So existiert im ERP nur eine Version eines Kundenvertrags, in der HR nur eine Provisionsvereinbarung. Wenn ein potenzieller Neukunde die Graphax-Lösungen sehen will, können meine Kollegen ihm das Produkt anhand der Infrastruktur hier im Haus live demonstrieren, wie die Lösungen funktionieren. Nächste Seite: drucken und elektronische Arbeitsplätze Apropos Geräte: Wie viel des Graphax-Geschäfts besteht aus Konica Minolta? Ein Grossteil des Geschäfts besteht heute aus Konica Minolta. Im letzten Jahr waren rund fünf Prozent eigene Graphax-Lösungen, in diesem Jahr bewegen wir uns zwischen sieben und acht Prozent. Das ist eine Steigerung von rund 50 Prozent. Wie immer im Leben ist die erste Million die schwierigste. Für uns bedeutet das: Wir verkaufen keine Hardware mehr sondern Lösungen. Damit verändern sich die Fragestellungen im Vertrieb und auch die nach den Kundenbedürfnissen. Damit hätten Sie schon ein Alleinstellungsmerkmal genannt: der Exklusiv-Vertrieb von Konica Minolta. Wie unterscheidet sich Graphax noch von seinen Wettbewerbern? Wir sind ein Schweizer Familienunternehmen, im Gegensatz zu unseren globalen Konkurrenten. Dort schreibt ein Sales-Mitarbeiter eine Offerte, die im Office in Zürich eingegeben wird, dann wieder weltweit verschickt wird. Nach der Genehmigung fliegt die Rechnung zurück womöglich nach Deutschland, von wo aus sie dem Kunden zugestellt wird. Ist das Dokument fehlerhaft, kann der hiesige Sales-Mann nicht nachverfolgen, wo die Ursache liegt, so dass der Kunde keinen Ansprechpartner in der Schweiz hat. Bei Graphax hat jeder Kunde einen dedizierten Verkäufer, Berater, eine Administrationsfachkraft sowie Techniker, die ihn sein ganzes Geschäftsleben lang begleiten.
Damit haben Sie entweder sehr viele Angestellte oder ihre Leute haben sehr viel zu tun. Wie viele Kunden betreut zum Beispiel ein Techniker? Graphax hat rund 17'000 Kundenverträge, ein Techniker betreut zwischen 400 und 500 Geräte. Allerdings ist der Output stark gestiegen: Um die Jahrtausendwende waren es noch 10 Millionen Prints pro Techniker, 2007 waren es 17 Millionen, heute sind es rund 22 Millionen. Gleichzeitig reduzierte sich jedoch die Interventionsfrequenz beim Kunden von 6 Wochen über 15 in 2007 bis heute durchschnittlich 32 Wochen. Insgesamt haben unsere Kunden 2009 knapp 700 Millionen Prints gemacht. Im vergangenen Jahr haben sie die Milliardenmarke geknackt. Die Zahl der Techniker hat sich seitdem aber nicht verändert. Ein so hoher Output ist realistisch angesichts der Technik und dem unterschiedlichen Know-how der Benutzer? Die Technik leistet diese Print-Mengen durchaus. So hat die Mehrheit der Supportanfragen auch gar nichts mit der Hardware zu tun. Multifunktionsgeräte melden automatisch, wenn ihnen Toner fehlt, es einen Papierstau gibt oder ein Bauteil defekt ist. Wenn zum Beispiel ein User irrtümlich das Legal-Format ausgewählt hat, aber kein passendes Papier vorhanden ist, verweigert der Drucker den Output. Dann ist Graphax die erste Anlaufstelle. Wenn dann nicht nur der Bedienfehler die Ursache ist, sondern zusätzlich noch ein Betriebssystem-Update auf den Clients, fällt den Technikern die Diagnose schwer. Aus diesem Phänomen haben wir ein neues Dienstleistungsangebot entwickelt. Der Kunde kann neu seine gesamte Infrastruktur von uns beziehen. Wir stellen ihm einen Server, einen Drucker, das Netzwerk sowie die benötigten Clients ins Haus und pflegen die Systeme selbst. Graphax wird zum Outsourcing-Anbieter? Ja. Wir haben auf der Basis von Office 365 einen elektronischen Workplace entwickelt, inklusive E-Mail und Intranet aus der Cloud. Die Server stehen bei Microsoft in Amsterdam und Dublin, die Hardware kann der Kunde über uns beziehen. Die Wahl hat er bei der Datenhaltung: Die Optionen sind die Microsoft-Cloud, das Schweizer Rechenzentrum von Avectris (früher Axpo Informatik) oder der Server in den eigenen vier Wänden. Die Pakete haben wir weitgehend standardisiert, um den Administrationsaufwand möglichst tief zu halten. Der Kunde kann im Gegenzug mit einem Fixpreis rechnen. Nächste Seite: Schweiz geht in die Cloud Sie setzen auf Office 365. Bemerken Sie, dass die Akzeptanz für die Cloud bei Schweizer Unternehmen steigt? Die Akzeptanz steigt zweifellos, allerdings nur bei Software. Wenn Schweizer Chemiekonzerne mit wirklich sensiblen Inhalten ihre E-Mail zu Microsoft auslagern können, müssen auch unsere Kunden keine grossen Gedanken machen. Das gilt übrigens auch für Graphax, denn ich hatte anfangs ebenfalls Zweifel. Der Zugriff jederzeit sowie von überall hat sich jedoch bewährt. Er bedeutet einen grossen Schub bei der Produktivität, wenn ich an jedem Ort der Welt meine gewohnte Infrastruktur nutzen kann.
Sie machen eine Einschränkung auf Software aus der Cloud. Ja, denn eine spürbare Zurückhaltung bei der Cloud-Adaptation gibt es weiter bei Unternehmensdaten. Wenn zum Beispiel eine Anwaltskanzlei sagt, sie möchte wissen, wo ihre Anklageschriften abgelegt sind, dann installieren wir ihnen auch einen Server im Keller. Diese Vorbehalte sind eher untypisch für die Schweiz. Zwar ist die Schweiz ein absolut konservatives Landsgemeinde-Land sind, das sich gegen zu viele Änderungen sträubt. Doch sind wir auch Technologie-Freaks. Nicht umsonst hatten wir früh die höchste PC-Verbreitung und die höchste Handy-Dichte. Aber bei der Cloud haben die Kunden unter anderem wegen NSA & Co. noch Bedenken. Sie haben BrainConnect übernommen. Welche Pläne haben Sie mit dem Software-Haus? Die Kollegen werden selbständig weiterarbeiten. Ihre elektronische Dossierverwaltung ergänzt unser Geschäft mit der öffentlichen Hand ideal. Wir haben heute gemeinsame Kunden, bei denen es zunächst eine Verunsicherung gab: Graphax kauft BrainConnect und integriert die Technologie, lautete die Befürchtung. Diese wollen wir zerstreuen, indem BrainConnect weiterhin als eigenständiger Anbieter im Gemeindeumfeld agiert. Gleichzeitig werden die Kollegen für Graphax vertikale Lösungen programmieren: Personal- und Immobiliendienstleister, Rechtsanwälte oder Treuhänder arbeiten ebenfalls mit Dossiers. Sie sollen in Zukunft mit dedizierten Lösungen aus dem Hause Graphax bedient werden. Bei einer Anwaltskanzlei in Bern läuft aktuell ein Pilot. Welches sind Probleme bei Kundenprojekten, bei denen Sie keine Lösung haben (oder noch an einer arbeiten)? Ein Knackpunkt für uns ist das Scannen. Von einigen Kunden kamen Anfragen, ob Graphax auch das Einlesen von Dokumenten übernehmen würde. So ein Dienstleistungsangebot war bis anhin nicht in unserem Geschäftsplan enthalten. Aktuell prüfen wir gemeinsam mit Capturing-Spezialisten, ob sich ein Outsourcing rechnet oder ob wir ein eigenes Scan-Zentrum dafür aufbauen. Neu orientieren müssen wir uns auch im Grosskundengeschäft. Früher genügte es, wenn wir den Kunden die Printer und Server geliefert haben. Heute wünschen sie sich, dass wir den Server für sie betreiben, die Administration übernehmen und zum Beispiel Ein- und Austritte für sie managen. Geschäftsmodelle für diese Dienstleistungen prüfen wir zurzeit. So wird es in Zukunft ein standortübergreifendes Follow-me-Printing aus der Cloud geben, das wir von unserem Hauptsitz in Dietikon aus bereitstellen und betreuen.