13.09.2013, 12:39 Uhr

Der Schweizer TV-Streit eskaliert

Kabelnetzbetreiber und Teleclub streiten sich um Übertragungsrechte und Gebühren. Die Weko untersucht den Fall - bei dem es um Geld, Sport und Technik geht. Computerworld lässt beide Seiten zu Wort kommen und versucht, die Situation einzuschätzen.
Teleclub oder Cablecom haben andere Ansichten betreffend der Sportübertragung in der Schweiz. Wer ist im Recht?
Im Gebälk der Schweizer TV-Landschaft kracht es derzeit so richtig. Kabelnetzunternehmen und der Privatsender Teleclub liefern sich ein Duell um Übertragungsrechte und Publikum, das schlussendlich von der Wettbewerbskommission (Weko) entschieden wird. Weil in der Thematik Motive, Technik, Strukturen und Personen zu einem grossen Einheitsbrei verschmolzen sind und niemand mehr zu wissen scheint, worum es genau geht, versuchen wir, eine Übersicht zu liefern.

Das sind die Fakten: 

Teleclub gehört der Cinetrade AG, welche seit Mitte Mai zu 75 Prozent der Swisscom gehrt (seit 2005 war die Swisscom als Minderheitsaktionärin beteiligt, bereits damals mit der Option auf Übernahme weiterer Aktien). Mit der Swisscom im Rücken machte sich Teleclub damals auf, die brachliegenden TV-Rechte der Super League zu kaufen und erweiterte in der Folge das Sportprogramm stetig. Damit wollte Swisscom ein USP für ihre neu lancierte IPTV-Plattform «Swisscom-TV» besitzen. Die Idee schlug voll ein, mittlerweile empfangen 860 000 Haushalte Swisscom TV. Viele von ihnen vor allem wegen der Live-Sportübertragungen, von denen es bei Teleclub mehr als 3000 pro Jahr gibt. Vor zwei Jahren wurden die TV-Rechte für Schweizer Fussball- und Eishockeyspiele erneut vergeben, erneut erhielt Teleclub den Zuschlag. Das Trio Swisscom/Cinetrade/Teleclub setzte sich in einem Bieterverfahren gegen die rund 240 Kabelnetzbetreiber und SRF durch, die sich gemeinsam um die Rechte bewarben. Wollen darum Kabelnetzanbieter Schweizer Fussball- oder Hockey schauen übertragen, müssen sie Teleclub in ihr Programm aufnehmen. Diese Möglichkeit bietet ihnen Teleclub, schliesslich ist es im Interesse der TV-Station, vo so vielen Zuschauern wie möglich gesehen zuw erden. Doch das Programm, welches Teleclub den Kablern bietet, ist wesentlich schlechter, als dasjenige für die Swisscom. Bei Swisscom zahlt der Kunde für das Basis-Angebot «Cinema» 29.90 Franken Monat, bei Cablecom 39.90 Franken. Das zusätzliche Sportpaket ist zwar bei Swisscom (12.90/Monat) leicht teurer wie bei Cablecom (9.90/Monat), dafür gibt?s bei Swisscom aber bis zu 31 Sportkanäle, bei Cablecom lediglich 3. Zudem können bei Swisscom TV sämtliche Sender für einen Aufpreis in HD-Qualität empfangen werden, bei Cablecom ist dies nicht der Fall. Und: bei Swisscom-TV können Sportübertragungen auch einzeln gekauft werden - Sport on Demand» - bei Cablecom ist das nicht möglich. Lesen Sie auf der nächsten Seite: darum wird gestritten

Darum wird gestritten

Aus den genannten Gründen und weil Swisscom via Cinetrade Mehrheitseigentümerin von Teleclub ist, hat die Weko im Frühling eine Untersuchung eingeleitet, die noch läuft. Die Kabelunternehmen brachten anschliessend eine eigene Klage vor und wollten sofort das gleiche Sport-Angebot wie die Swisscom erhalten.  Die Weko wies dieses Begehren ab, führt aber ihre Untersuchung weiter. Zuletzt klagte dann Teleclub selber bei der Weko und warf den Kabelnetzbetreibern Cablecom und Finecom vor, ihre Marktstellung zu missbrauchen, um «unangemessene und diskriminierende Konditionen zu erzwingen». Zudem seien es die Kabelnetzbetreiber, die verhindern, dass das Teleclub-Angebot in HD ausgestrahlt werden könne. Cablecom nahm die Vorwürfe «mit Verwunderung» zur Kenntnis», denn «Teleclub verweigere bis heute jegliches Gespräch zur Verbreitung eines gleichwertigen Senderangebots im Bereich Live-Sport». Auch der Vorwurf, dass die HD-Verbreitung durch unangemessene Konditionen verhindert werde, sei falsch. Bisher seien die Diskussionen rein technischer Natur gewesen. Der Versuch eines Ablenkungsmanövers von Seiten Teleclubs betreffend der laufenden Weko-Untersuchung liege darum nahe, die Cablecom. Swisscom/Teleclub zwinge ihre Kunden dazu, mit überhöhten Monatsgebühren ein teures Monopol zu finanzieren.

So sieht es wirklich aus

Wer die bisherige Berichterstattung und die Positionen der Parteien beobachtet hat, kann zum Schluss kommen, dass Teleclub «der Böse» in dieser Sache ist. Schliesslich sind es die Kunden, die mehr zahlen müssen und nicht auf alle Kanäle Zugriff haben, ausser sie sind bei Swisscom. Doch unsere Recherchen ergeben ein anderes Bild. Hier darum die zu klärenden Fragen und was dahinter steckt.

Wer übervorteilt wen?

Die Kabelnetzbetreiber finden es unfair, dass sie mehr zahlen müssen. Dazu sagt Teleclub-Verwaltungsrat Wilfried Heinzelmann: «Es ist so, dass uns diese Kabelunternehmen vorwerfen, bei Swisscom würde Teleclub nur 29 Franken kosten, bei ihnen aber 39 Franken. Was sie aber nicht sagen ist, dass wir bei Swisscom TV für die Verbreitung nur einen Bruchteil davon bezahlen müssen, was wir diesen Kabelunternehmen bezahlen.» Cablecom-Mediensprecher Andreas Werz gibt nach der Konfrontation mit diesem Statement zu: «Wir wissen nicht, ob wir mehr verlangen, denn wir wissen nicht, was die Swisscom von Teleclub verlangt.» Zu dem Punkt muss gesagt werden, dass es durchaus möglich ist, dass die Swisscom ihrem Tochterunternehmen bei den Netznutzungsgebühren Preise ermöglicht, mit denen niemand mithalten kann. Darum wäre es wünschenswert, wenn die Parteien ihre Zahlen offenlegen würden. Telecom-Experte Ralf Beyeler von Comparis hat noch einen anderen Vorschlag:« Es ist unüblich dass ein Sender dafür zahlt, dass er eingespiesen wird. Mit deutschen Privatsendern gibt es das teilweise bei den Schweizer Werbefenstern. Die Anbieter können ja Werbung verkaufen, darum ist das auch die logischere Lösung. Grundsätzlich aber speist Cablecom viele Sender ein, ohne Geld zu verlangen. Aber bei Teleclub ist das natürlich anders, Cablecom sieht lieber, wenn die Kunden die Cablecom-Pakete statt Teleclub abonnieren. Die beiden Parteien müssten einen Kompromiss aushandeln. Beispielsweise werden die Netznutzungsgebühren reduziert und im Gegenzug können die Kunden Fussballspiele schauen.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wer verhindert, dass HD angeboten wird?

Wer verhindert, dass HD angeboten wird?

Wilfried Heinzelmann, Teleclub: «Wir haben vor einem Jahr allen HD angeboten. Swisscom und Sunrise schlugen zu, einige kleine Kabelunternehmen auch. Cablecom und Finecom wollten aber nicht nur HD, sondern beispielsweise auch das Sportangebot. Cablecom wollte zudem eine andere Art der Anlieferung, die uns mehrere 100 000 Franken kosten würde.» Andreas Werz, Cablecom: «Wir wollen unseren Kunden HD anbieten. Und wir wollen auch ein gleichwertiges Sportangebot. Am liebsten würden wir beides zusammen haben.»
Beide wollen also eigentlich das Gleiche. Das Problem hier: die Kapazität. Es ist so, dass die Swisscom mit ihrer IPTV-Plattform Teleclub wesentlich mehr Platz zur Verfügung stellt, wie Cablecom. Momentan steht dafür ein analoger Sendeplatz zur Verfügung, das sind 17 Teleclub-Sender. Sollten über das Cablecom-Netz auch so viele Sportkanäle (27 zusätzliche Sportkanäle) wie über Swisscom angeboten werden, würde der Platz von 2 analogen Kanälen benötigt. Das Problem dabei: Sofern die Argumentation von Teleclub stimmt und Teleclub wegen der hohen Netznutzungsgebühren bei Cablecom-Kunden 10 Franken im Monat pro Monat verlangt, müsste Teleclub der Cablecom dafür 20 Franken pro Kunde mehr bezahlen. Schlägt Teleclub diese zusätzlichen Kosten auf den Preis, würde das Angebot 59.90 Franken kosten. Damit würde das Angebot weniger attraktiv. Und dem Kundenwunsch nach HD-Sendern kann Teleclub dann immer noch nicht nachkommen. Dieses Problem hat auch Wilfried Heinzelmann adressiert: «Um die Sportübertragungen anzubieten braucht es wie gesagt Platz und auch Investitionen. Aufgrund der beschränkten Kapazitäten möchten die Kabelfirmen nur die besten Spiele herauspicken und die anderen nicht übertragen. Entsprechend möchten sie dann auch nur diese bezahlen. So wird es schwierig für uns.» Und niemand bei den Kabelunternehmen könne oder wolle ihnen sagen, wie flexibel sie bei diesen Sportangeboten sind. « Respektive, wie sie gedenken, die Gesamtheit des Angebotes auszustrahlen». So, wie es Swisscom tut. Die lapidare Antwort vom Verband Swisscable laute: «Das lassen Sie unsere Sorge sein.» Ralf Beyeler hat auch hier einen Vorschlag: «Cablecom könnte andere analoge Sender abschalten, die fast niemand schaut und damit Platz schaffen. Zwar gerät das Kabelnetz irgendwann an seine Kapazitätsgrenze, aber wenn Cablecom wollte, würde sich Platz finden lassen. Aber ich denke nicht, dass Cablecom dies zu Bedingungen offeriert, die für Teleclub akzeptabel sind.» Andreas Werz von Cablecom versteht die Diskussion aber nicht. Er sagt ganz klar: «Wir hätten die Kapazität, um den Kunden mehr anzubieten. Unser Netz ist leistungsfähig genug. Mittlerweile sind wir auch soweit, dass die technischen Aspekte bereinigt sind. Jetzt bemühen wir uns, mit Teleclub über die finanziellen Konditionen zu sprechen. Alle technischen Punkte werden aber noch nicht bereinigt sein. So will Cablecom weiterhin Sport-Übertragungen auch einzeln anbieten können. Gemäss Ralf Beyeler wird dies kaum möglich sein. «Wie will man das technisch handeln?», fragt er. «Bei IPTV ist das natürlich möglich, aber bei Kabel müsste die Freigabe für bestimmte Kanäle für eine bestimmte Zeit erfolgen. Bisher werden aber die Zugriffsrechte via Smartcard an die Set-Top-Box gesendet und bestimmen, welche Kanäle geschaut werden können. Ich denke nicht, dass dieses Prozedere anders gehandhabt werden kann.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Kommentar

Kommentar

Es ist eine komplizierte Geschichte, in welche die beiden Parteien Swisscom und Cablecom verstrickt sind. Und in der Beide irgendwie recht haben. Für den Kunden ist es klar besser, wenn Teleclub überall das gleiche Programm zu gleichen Konditionen anbietet. Wenn das aber betriebswirtschaftlich nicht möglich ist ? dieser Eindruck hat sich bei der Recherche ergeben ? wäre es für Teleclub, um eine Sportmetapher zu bedienen, ein Eigentor. Zudem muss hervorgehoben werden, dass die Swisscom vor Jahren die Sportübertragung aufgebaut hat, in Zusammenarbeit mit Teleclub. So werden heute von gewissen Ligen alle Spiele übertragen, früher wurden die Spiele einzeln gezeigt. Die Kabelunternehmen haben diese Entwicklung verschlafen, auch weil beispielsweise eine Cablecom damals andere Probleme (schlechter Kundenservice) hatte. Es ist darum logisch, dass Swisscom Exklusivverträge mit Teleclub eingegangen ist, die nicht so einfach aufgelöst werden können oder sollen. Falls das geschieht, würden unter anderem die Preise für die Sportrechte in den Keller gehen. Natürlich muss auch erwähnt werden, dass die 75-Prozent-Beteiligung von Swisscom zu Recht für Stirnrunzeln sorgt. Zumal sie als Staatsbetrieb den Teleclub nicht besitzen darf. Die bisherige Lösung der Swisscom: Teleclub wurde in eine unabhängige Gesellschaft ausgelagert, welche sich um die Programmgestaltung kümmert. Die Film- und Sportrechte behält aber Cinetrade, und das sind die wertvolleren Assets. Die Teleclub-Aktien sollen derweil zur Mehrheit von unabhängigen Aktionären gehalten werden. Dass dies geschieht, ist aber nicht ohne weiteres glaubhaft. Es gibt schwierigere Dinge, als Strohmänner einzusetzen. Vor allem, weil die Sportrechte ja eben nach wie vor Cinetrade gehören und die schlussendlich bestimmen, was der Teleclub senden darf. Wer in so einer Situation bei Teleclub einsteigt, wird sich darum zuvor sicher mit Cinetrade und damit auch Swisscom unterhalten haben. Wer am Ende als Sieger aus der Geschichte hervorgeht, ist nicht absehbar. Die Positionen beider Firmen scheinen jedenfalls verhärtet. Sonst hätten nicht zuerst die Kabler und danach Teleclub eine Klage bei der Weko eingereicht. Denn oft wenn die Weko eine Untersuchung einleitet, kommen Dinge zum Vorschein, welche die Betroffenen lieber im Verborgenen gehalten hätten. Es kann darum gut sein, dass am Ende beide die Verlierer sind.



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