08.11.2017, 14:30 Uhr
Überlebensstrategie für die digitale Transformation
Amazons CTO Werner Vogels beleuchtet in seiner Kolumne die Facetten der digitalen Transformation. Heute erklärt er, warum KMU dank der Digitalisierung mit den grössten Firmen mithalten können.
Kleinere Unternehmen haben grosse Chancen in der digitalen Ära – vorausgesetzt, sie gehen sie mit der richtigen Einstellung an. Gewinnen kann aber nur, wer das eigene Geschäft durch die Augen des Kunden betrachtet und versteht, dass hohes Innovationstempo der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum ist. Wer so denkt, kann es mit den grössten Unternehmen aufnehmen, die oft zu langsam sind, um sich an die schnelllebige digitale Realität anzupassen.
Die digitale Ära hat längst begonnen. Unternehmen, die das noch nicht erkannt haben, werden zurückfallen. Wir haben gesehen, dass Startups oder Nischenanbieter in vielen Branchen eine Revolution losgetreten haben. So manch früherer Platzhirsch kämpft, wenn die Schockstarre zu lange dauert, am Ende gar ums nackte Überleben. Man braucht sich nur die Unterhaltungs- und die Musikindustrie anzusehen, wo Streaming-Services den Produzenten physischer Produkte den Rang abgelaufen haben. Je klarer sich kleine und mittelgrosse Player darüber sind, warum und wie sie auch heute die Weltmärkte erobern können, umso besser sind sie positioniert, um sich für diese Herausforderung zu wappnen. Die Digitalisierung ermöglicht es auch den Kleinsten, gross zu denken, weil sie ihnen Technologien in die Hände legt, die früher zu teuer und schwer zu bekommen waren. Der Einsatz moderner Technologien alleine differenziert jedoch noch nicht. Man muss sie mit der Leidenschaft kombinieren, die Interessen seiner Kunden konsequent in den Fokus zu rücken. Erst dann können diese Technologien agile Unternehmen im globalen Wettbewerb entscheidend nach vorne bringen. KMU haben hervorragende Chancen, wenn sie ihre bestehenden Geschäftsmodelle stärker digitalisieren. Gerade in fertigungsintensiven Bereichen wird immer mehr Software eingeführt, welche die Hardware ergänzt und durch die Fixkosten wegfallen. Das jeweilige Geschäft lässt sich so schnell global skalieren. Unternehmen, die sich darauf einlassen, können bedeutende Player in Märkten werden, die früher den ganz Grossen vorbehalten waren. Digitalisierung beginnt mit der richtigen Einstellung – nämlich einer, die darauf abzielt, innovative digitale Erlebnisse zu schaffen. Im Interesse des Kunden kontinuierlich zu experimentieren war von Anfang an das Grundprinzip bei Amazon– sowohl im E-Commerce, als auch bei Amazon Web Services. Wir haben herausgefunden, dass wir eine hohe Zahl an Innovationen realisieren können, wenn wir das tun. Seit 2006 hat AWS weit mehr als 2‘500 neue Services und Features auf den Markt gebracht, circa 90 Prozent davon resultierten aus Wünschen unserer Kunden. Wer in seinem Unternehmen eine Kultur entwickeln will, in der digitale Innovationen gedeihen, muss den Anspruch haben, sein Angebot an die sich schnell verändernden Anforderungen der Kunden anzupassen. Es gibt bereits Unternehmen, die das tun. Eines davon ist z.B. Vorwerk mit seiner Premiummarke Thermomix; ein Alleskönner in der Küche. Dieses Produkt ist seit über 50 Jahren auf dem Markt. Aber die Art, wie Kunden heute kochen, unterscheidet sich grundlegend von den 60er Jahren. Heute muss kochen bequem, gesund und schnell sein. Die Menschen möchten Gerichte ohne viel Mühe zubereiten und sie schätzen es, während des gesamten Kochprozesses an die Hand genommen zu werden – vom Aussuchen des Rezeptes aus der Cloud bis hin zum fertigen Gericht. Nächste Seite: Grundstein für eine blühende Zukunft legen
Grundstein für eine blühende Zukunft legen
Unternehmen, die zu echten digitalen Innovatoren werden wollen, sollten ihre Komfortzone verlassen, selbst wenn sie (noch) keinen konkreten Veränderungsdruck verspüren. Positiver formuliert: Sie müssen einen inneren Antrieb entwickeln, nicht nur die Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen, sondern sie vorweg zu nehmen. SKF, ein Weltmarktführer für Kugellager und ein Zulieferer für viele Branchen, macht das bereits sehr gut. Das Unternehmen denkt die Strategie des Kunden mit: SKF fragt sich zum Beispiel, wo die neuralgischen Punkte im Geschäftsmodell von Windturbinen-Betreibern liegen. Die Wartung dieser Windturbinen ist aufwendig, weil die Anlagen geographisch weit auseinanderliegen. Gleichzeitig müssen sie zuverlässig laufen, wenn die Windverhältnisse ideal sind. SKF entwickelt proaktiv Leistungen, die über das eigene Kerngeschäft hinausgehen. In diesem Fall, indem das Unternehmen Möglichkeiten schafft, die Windkraftanlagen mobil und cloudbasiert zu betreiben und zu warten. Die Digitalisierung erschliesst für Unternehmen völlig neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Wer sich eingehend mit den Chancen digitalen Innovierens befasst, wird automatisch beginnen darüber nachzudenken, welchen Wert man in einem Markt künftig schaffen möchte. Beckhoff, ein führender Hersteller von Automatisierungstechnik, ist hierfür ein gutes Beispiel. Beckhoff entwickelte eine Lösung, die Daten von zentralen Fertigungssystemen aus der Werkshalle seiner Kunden in die Cloud sendet. Diese Konnektivität eröffnet eine Kommunikation in zwei Richtungen. Plötzlich sind Kunden von Beckhoff in der Lage, ihre Maschinendaten über die Cloud zu senden und empfangen. Das bedeutet, sie können von überall auf der Welt ihre Fertigung steuern oder ihre Anlagen warten. Mit einem solchen Angebot wandelt sich das Unternehmen vom Hard- zum Softwareanbieter. Und nicht nur das: Beckhoff treibt mit seinen Lösungen den Wandel des Geschäftsmodells seiner Kunden voran. Dadurch nimmt das Unternehmen in der Wertschöpfungskette eine ganz neue Rolle ein. Die richtige Einstellung gegenüber digitalen Innovationen in der Unternehmenskultur zu verankern, gelingt nicht über Nacht. Jedoch wächst die Zahl der Unternehmen, die in der digitalen Welt erfolgreich sind, weil sie genau das geschafft haben. Sie beweisen, dass es die Anstrengung wert ist. Damit ist dann nicht nur das schiere Überleben gesichert, sondern der Grundstein für eine blühende Zukunft gelegt.
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