06.10.2016, 14:35 Uhr

Social Media für die Katz

Wer die sozialen Medien nur als Plattform für Werbekampagnen sieht, den Dialog mit dem Kunden und das Monitoring vernachlässigt, kann sich einen Auftritt auf Facebook und Co. gleich sparen.
Die meisten Unternehmen haben mittlerweile die sozialen Medien für sich entdeckt, denn hier können sie engen Kontakt zu ihren Kunden aufbauen, mit ihnen – theoretisch – auf Augenhöhe kommunizieren und Informationen in Sekundenschnelle weltweit streuen. Ganz oben auf der Agenda steht das so genannte Engagement. Doch spätestens an dieser Stelle stösst Social Media bei vielen an seine Grenzen und der echte Dialog mit dem Kunden bleibt oft aus. Eine Umfrage von Social Media Examiner unter 3720 Social-Media-Managern ergab, dass die so genannte Social-Media-Strategie oft eher eintönig ausfällt oder im schlimmsten Fall den Namen nicht verdient, da sie inexistent ist. Zwar setzen laut «2016 Social Media Marketing Industrie Report» 93 Prozent der Unternehmen auf Facebook und schwören 76 Prozent auf Twitter, damit hat es sich aber auch schon. Auch wenn 40 Prozent angaben, das Marketing mit Social Media sei im Jahresvergleich härter, schwieriger und zweitaufwendiger geworden, die Netzwerke werden noch immer hauptsächlich als ausgelagerte Marketing-Plattform genutzt, um unternehmenseigene Inhalte zu posten. Interaktionen mit den Nutzern finden selten bis gar nicht statt.
Doch den Erfolg einer Marke in Social Media nur nach Followern und Likes zu bewerten reicht schon lange nicht mehr aus. Allerdings pflegen nur magere 14 Prozent eine eigene Community für die Kundenkommunikation. Nachhaltiger, Nutzen bringender Gebrauch von Social Media sieht anders aus. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Engagement versus Erlebnis

Den Kunden (er)kennen

Bei Zweidritteln der befragten Unternehmen steht der Ausbau des Kunden-Engagements an oberster Stelle, was grundsätzlich nicht falsch ist. Allerdings scheinen viele schon bei der Definition desselben Mühe zu haben. Denn oft wird Customer Engagement mit Customer Experience, also Kunden-Erlebnis, gleichgesetzt oder verwechselt, sagen Maryam Lawal und Olsy Sorokina in ihren Blogs auf der Social-Relationship-Plattform Hootsuite. Als Engagement wird in der Regel die direkte Interaktion des Kunden mit einer Marke bezeichnet. Diese kann sowohl vom Kunden ausgehen (Kontakt mit dem Kunden-Service, Erwähnung der Marke in einem Tweed etc.) oder von der Marke selbst initiiert werden (on- und offline-Interaktionen, Umfragen, Kundenzufriedenheitsanalysen, Promo-Aktionen usw.). Hier bieten Social-Media-Kanäle ungeahnte Möglichkeiten, die aber meist unbeachtet bleiben. «Wichtig ist, während der gesamten Customer-Journey nach geeigneten Gelegenheiten für das Kunden-Engagement Ausschau zu halten», sagt Lawal. Das Kunden-Erlebnis hingegen muss im Laufe der Customer-Journey Schritt für Schritt aufgebaut werden. Es beschreibt, wie der Kunde die Marke als Summe aller Kontakte wahrnimmt. Hier ist es besonders wichtig, dass ein Unternehmen weiss, worin sich das Erlebnis mit der eigenen Marke von jenem der Konkurrenz unterscheidet. Voraussetzung dafür wiederum ist, nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern auch den Kundenstamm ganz genau zu kennen, um eine einzigartige Markenkultur zu erschaffen.
Dieses Ziel sollte bereits bei der Planung eines Social-Media-Profils im Fokus stehen, empfehlen die Social-Media-Profis. Zum Beispiel liesse sich definieren, welches Profil sich am besten eignet, um das Unternehmen und seine Kultur generell vorzustellen und welches eher für Hintergrundgeschichten.

Halbpatziges Monitoring

Die einseitige, unvollständige Nutzung von Social Media spiegelt sich auch im Monitoring wider: Für 80 Prozent ist die Engagement-Rate (wenn es sich denn überhaupt um echtes Engagement handelt) der wichtigste Messwert. Andere Messgrössen wie etwa Click-Through-Rate oder Social Impressions sind oft wenig relevant. Die Konsequenz daraus: Es lässt sich keine umfassende Aussage über den tatsächlichen Social-Media-Erfolg machen – nur 41 Prozent sind in der Lage, den ROI ihrer Aktivitäten zu messen – und ein wirkliches Vertrauensverhältnis zwischen Marke und Kunde wird nur selten aufgebaut.
Abhilfe sollen hier Social-Media-Tools schaffen, die Funktionen bieten, über die die Netzwerke selbst nicht verfügen. So sollen sie beispielsweise helfen, Posts gezielt zum besten Zeitpunkt, aktuell und zielegruppenrelevant auf verschiedenen Kanälen gleichzeitig zu verbreiten. Die grossen Versprechen der Anbieter lauten Zeitersparnis, Effektivität, Leistungssteigerung, Sicherheit und Erfolgsmessung. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Tools verfehlen Ziele Doch was bleibt von den Tools und werden sie überhaupt vollumfänglich genutzt? Laut Marktforscher Forrester zahlen zwar viele Unternehmen für diese Tools, wenden sie aber kaum an. Denn vielen Marketing-Managern sind sie schlichtweg zu kompliziert in der Nutzung oder es fehlen wichtige Funktionen. Selbst grosse Marken haben Mühe mit den Werkzeugen: 67 Prozent von ihnen veröffentlichen Facebook-Posts noch händisch. Auch das Argument mit den Tools Zeit zu sparen verfehlt seine Wirkung: Haben Marketers laut Social Media Examiner im Jahr 2011 noch 10,9 Stunden pro Woche fürs Management der sozialen Medien aufgewendet, waren es 2015 bereits 12,8 Stunden (19% wendeten gar mehr als 20 Stunden auf). Tendenz steigend. Auch die Umwandlung des Engagements enttäuscht: So führen die Profile wider Erwarten offensichtlich nicht zu mehr Verkäufen. Besucher von sozialen Netzwerken seien nur halb so viel gewillt, einen Kauf zu tätigen, als Nutzer, die über eine Suchmaschine auf die Seite finden, schreibt Nate Elliott von Lithium in seinem Report «Why Brands Fail To Create Customer Relationships». Dasselbe zeigt sich beim Umsatz: Erstere geben nur etwa die Hälfte aus im Vergleich zu Besuchern anderer Seiten. Social-Media-Werkzeuge sollten Social Marketing und Kundenservice vereinen, intuitiv bedienbar sein sowie proaktives Feedback und eine Erfolgsmessung ermöglichen. Anstatt nur alte Posts zu analysieren, sollte das Tool auch relevanten Inhalt sowie Trending Topics (Trendlisten) identifizieren können.

Feedback ernst nehmen

Beim Social Media geht es nicht vorrangig darum, Werbekampagnen zu verwirklichen, sondern erst einmal den potentiellen Kunden für die eigene Marke zu finden und ihn dann, zusammen mit ihm, langfristig für die Marke zu gewinnen. Das ist aufwendiger, als man meint und setzt intensives Networking voraus. Doch oft werden wichtige Aktivitäten an unerfahrene Mitarbeitende oder Assistenten abgeschoben, die neben ihrer normalen Tätigkeit die sozialen Medien beackern müssen und auch noch Ergebnisse liefern sollen. Lawal beschreibt weitere, leicht vermeidbare Fehler, die dem Unternehmen im schlimmsten Fall aber richtig viel Geld kosten können:
  • Fehlende Informationen im Profil
  • Nutzung sozialer Medien, nur um den Bekanntheitsgrad zu steigern
  • Schlechter oder fehlender Call-to-Action (der CTA sollte mit Inhalten, Insights, Produkten verknüpft sein, um den Besucher zum Mitmachen zu bewegen)
  • Teilen nicht getaggter Links (verhindert Nachverfolgung)
  • Wer zudem bezahlte Social-Media-Posts nicht organisch testet, verpufft sein Budget in nicht getestete Inhalte, die eventuell gar nichts bringen.
Lawal warnt ausserdem davor, (fingierte) Follower und Engagement zu kaufen, das geht am Ende meist nach hinten los. Follower und Likes müssen erarbeitet, Feedback, vor allem negatives, und Kundenprobleme beantwortet und bearbeitet werden. Alles andere vergrault die Kunden. Und: Wer die Konkurrenz in den sozialen Medien beobachtet, kann von ihr lernen, vor allem, wie mans nicht macht.




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