27.11.2017, 06:50 Uhr
Wenn das Management die Digitalisierung bremst
Verwaltungsräte und Firmenchefs müssten die digitale Transformation vorantreiben, bremsen oft aber. In vielen Unternehmen gibt es offenbar Probleme, die Bedeutung der Digitalisierung richtig einzuordnen.
Die digitale Transformation ist eine der grössten Herausforderungen und gleichzeitig eine der grössten Chancen für die meisten Unternehmen. Es ist jedoch nicht unüblich, dass manche digitalen Innovationen durch eine Instanz, die am Wohlergehen des eigenen Unternehmens am meisten interessiert sein sollte, gehemmt werden. Diese Instanz heisst Unternehmensvorstand. Computerworld lässt eine Reihe von Experten zu Wort kommen, die ein differenziertes Bild von der Rolle der Vorstände zwischen Antreiber und Zauderer zeichnen. «Der digitale Reifegrad des Vorstands variiert sehr stark, sowohl nach Branche als auch nach seiner Zusammensetzung», konstatiert zum Beispiel Didier Bonnet, Senior Vice President und Global Practice Leader von Capgemini Consulting. Selbstverständlich gibt es Unternehmen, bei denen sich der Vorstand mit den Themen der digitalen Transformation verhältnismässig früh auseinandergesetzt hat. «Die technologieaffinen Unternehmen wie Siemens oder GE, die zugleich Technologienutzer und Technologiehersteller sind, scheinen die meisten offenen Vorstände zu haben und beschäftigen sich eher mit den neuen Technologien wie KI, Analytics und Industrial Internet of Things», sagt Dan Miklovic, der als Principal Analyst beim Marktforschungsunternehmen LNS Research tätig ist.
In vielen Firmen gibt es aber offenbar Probleme, die digitale Transformation überhaupt zu verstehen, vor allem in KMUs und in Branchen, die traditionsgemäss neue Technologie nur langsam einsetzen.
Keine Ablehnung
Nicht korrekt wäre es aber zu behaupten, dass Vorstände Initiativen zur digitalen Transformation, insbesondere wenn es um Technologien wie IoT, Smarte Fabrik, Big Data oder KI geht, einfach so rundheraus zurückweisen. «In den Gesprächen mit Fachkollegen wurde mir nie eine gänzliche Ablehnung dieser Themen durch die Vorstände geschildert», bestätigt Marius Grathwohl, Head of Digitalization bei MULTIVAC, einem weltweit führenden Anbieter von Verpackungslösungen. 2017 hat MULTIVAC die weltweit erste sensorgeregelte Tiefziehverpackungsmaschine auf den Markt gebracht, die durch eine lückenlose Digitalisierung, umfassende Sensorik und Vernetzung mit der Cloud eine neue Dimension an Wirtschaftlichkeit und Effizienz schafft. Marius Grathwohl: «Ich würde eher von einer gewissen Skepsis sprechen, die darauf abzielt, zunächst den Nutzen für das jeweilige Unternehmen zu evaluieren und den Mehrwert etwaiger neuer Geschäftsmodelle zu beziffern, bevor man neue Technologien einsetzt oder entwickelt.» Wenn also die möglichen Vorteile und das Potenzial der innovativen digitalen Projekte den Vorständen durchaus bewusst sind, was sind dann die Gründe für die Zurückhaltung in diesen Fragen? Nächste Seite: Kurzfristig vs. langfristig