Erfolgsfaktor Firmenkultur
15.12.2015, 16:14 Uhr
Wann sie schadet, wann sie nützt
Firmenkultur riecht, schmeckt und sieht man nicht. Aber sie beeinflusst massgeblich den Firmenerfolg. Besteht ihr Unternehmen den 13-Punkte-Test von Computerworld?
Eine gute Firmenkultur beflügelt Mitarbeiter, fördert ihr Engagement und führt zum Erfolg. Eine schlechte verursacht Probleme und kann ein Unternehmen in Konsequenz sogar vollkommen gegen die Wand fahren. Eine gute Firmenkultur ist wie der Kontrabass im Orchester. Man bemerkt ihn erst, wenn er fehlt. Aber wenn er spielt, dann eher unauffällig im Hintergrund. Fachleute bezeichnen mit Firmenkultur die Werte, Regeln, Normen und Überzeugungen, die alle Mitarbeiter eines Unternehmens zu einem Team zusammenschweissen. Diese Kultur drückt sich in bestimmten Sitten, Ritualen, Umgangsformen, aber auch Statussymbolen oder Projekten einer Firma aus. Der Firmenwagen, der grössere Schreibtisch, der Bonus zum Jahresende oder die Auszeichnung "Mitarbeiter des Monats" gehören dazu.
Was lief schief bei VW?
Über Firmenkultur machen sich Führungskräfte meist erst dann Gedanken, wenn etwas gründlich schief gelaufen ist. Also zu spät. Fallbeispiel Volkswagen: Die millionenfache Manipulation von Abgaswerten ist sicher nicht auf das technische Unvermögen der VW-Ingenieure zurückzuführen, die nicht wussten, wie man einen korrekten Abgasfilter einbaut. "Es ist die Gier nach Ruhm, nach Anerkennung. Man steht fassungslos davor und sieht doch immer wieder, wie das endet", sagte Finanzminister Wolfgang Schuble dazu. Individuelles Fehlverhalten, Schwachstellen in den Prozessen und eine hohe Toleranz, Regelverstösse hinzunehmen haben nach Ansicht des VW-Aufsichtsratschefs Hans Dieter PtschVolkswagen in die aktuelle Krise geführt. Besonders schwer zu akzeptieren sei die dritte Ursache. Das hatte knallharte wirtschaftliche Konsequenzen: Volkswagen hat nach dem Abgasskandal kräftig Marktanteile eingebüsst, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Im Jahresvergleich sank der Marktanteil um 2,3 Prozentpunkte auf 24,3 Prozent. Vor allem die Abverkäufe der Pkw-Kernmarke VW gaben nach.
Schweizer Finanzkultur
Ein zweites Fallbeispiel, die Schweizer Finanzindustrie: Michel Maréchal, Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich, hat mit 200 Bankangestelltenein Experimentdurchgeführt. Jeder Versuchsteilnehmer wurde nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Gruppen zugeteilt. In der Testgruppe wurde den Teilnehmern durch Fragen ihre berufliche Rolle und die damit verbundenen Verhaltensnormen in der Bank in Erinnerung gerufen. In der Kontrollgruppe wurde den Teilnehmern hingegen ihre ausserberufliche Rolle in der Freizeit und die damit verbundenen Normen bewusst gemacht. Im Anschluss daran nahmen alle Probanden an einer Aufgabe teil, bei der sie durch unehrliches Verhalten ihr Einkommen um bis zu 200 US Dollar steigern konnten. Dabei zeigte sich, dass sich die Bankangestellten der Testgruppe, in welcher die beruflichen Verhaltensnormen aktiviert wurden, signifikant unehrlicher verhielten. Maréchal wiederholte das Experiment mit Mitarbeitern anderer Wirtschaftsbranchen. Im Unterschied zu den Bankern wurden die Mitarbeitenden anderer Branchen nicht unehrlicher, nachdem man ihre berufsbezogenen Normen und Werte angesprochen hatte.
Hippokratischer Eid für Banker
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die sozialen Normen, also die Kultur der Bankenindustrie unehrliches Verhalten eher toleriert als in anderen Branchen. "Die Banken könnten ehrliches Verhalten fördern, indem sie die berufsspezifischen Normen verändern würden", sagt Alain Cohn von der Booth School of Business der Universität Chicago. Mehrere Experten und Aufsichtsbehörden schlagen beispielsweise vor, dass Bankangestellte einen professionellen Eid, ähnlich dem hippokratischen Eid für Ärzte, ablegen sollten. Nächste Seite: 13 Testfragen - so gut ist ihre Firmenkultur
13 Testfragen
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Rahmen einer grossangelegten Studie empirisch nachgewiesen, dass zwischen Unternehmenskultur, Arbeitsqualität, Mitarbeiterengagement und Unternehmenserfolg ein enger Zusammenhang besteht. An der Untersuchung teilgenommen haben 18,5 Millionen aus etwa 195'000 Unternehmen verschiedener Branchen und Grössen. Die Arbeitsforscher unterscheiden zwischen 13 Dimensionen der Unternehmenskultur: Kommunikation: Wie wird kommuniziert? Top-down , wertschätzend, persönlich oder offen? Führungskompetenz: Wie beurteilen die Mitarbeiter die Kompetenz ihrer Vorgesetzten? Vertrauen sie den Entscheidungen der Chefs? Integrität der Führungskräfte: Welche Werte werden von Führungskräften vorgelebt? Förderung der beruflichen Entwicklung: Welche Stelle nimmt Personalentwicklung innerhalb des Unternehmens ein? Ob und wie oft bekommen Mitarbeiter Weiterbildungsangebote? Partizipation: Können die Mitarbeiter die Entscheidungen und Strategien nachvollziehen? Werden sie bei Veränderungen ihres Fachbereichs befragt? Fürsorge: Kümmern sich Mitarbeiter umeinander? Ist das Unternehmen familienfreundlich ausgerichtet und gibt es Gesundheitsfördermassnahmen? Fairness: Wie transparent erfolgt die Entlohnung der entgegengebrachten Leistung? Wird auf Gleichberechtigung geachtet? Teamorientierung: Wie erfolgt die Zusammenarbeit? Wird auf Teamfähigkeit geachtet? Identifikation mit dem Unternehmen: Sind die Mitarbeiter stolz darauf, für das Unternehmen zu arbeiten? Testfrage: Würden sie gerne weitere 10 Jahre dort arbeiten wollen? Kundenorientierung ? Wie kundenfreundlich ist das Unternehmen? Wird auf Anregungen und Hinweise der Kunden eingegangen? Leistungsorientierung: Welchen Stellenwert nimmt Leistung und Produktivität ein? Gibt es starke Ergebnisorientierung und ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein? Veränderungsfähigkeit und Innovationen: Wie reagiert das Unternehmen auf Veränderungen? Werden Arbeitsabläufe überprüft und angepasst? Stärke der Unternehmenskultur: Werden langfristige Ziele unabhängig von der Leitung verfolgt? Gibt es klare Grundsätze und Werte, die die Arbeit bestimmen? (Quelle: ber weiche Faktoren und harte Folgen . wie Sie Ihre Unternehmenskultur bestimmen knnen) Haben Sie den Grossteil dieser Testfragen positiv oder mit "Ja" beantwortet, dann ist es um ihre Firmenkultur recht gut bestellt. Sind die "Neins" oder kritische Antworten in der Überzahl, können Sie das als Warnsignal verstehen. Es ist kein leichtes Unterfangen, die eigene Firmenkultur in allen Facetten von Innen auszuloten. Sie wird für die meisten Mitarbeiter nach einer Weile zur Selbstverständlichkeit, zum Habitus. Der Blick dafür ist nicht mehr geschärft, man könnte auch von Betriebsblindheit sprechen. Nützliche Hinweise können jedoch neue Mitarbeiter geben. Ihnen ist die Betriebskultur noch nicht so vertraut wie den Langjährigen. Ihre Antennen für die wichtigen Unterschiede sind noch fein justiert. Hilfreich ist auch die direkte Ansprache von neuen Partnern und Kunden, um zu schauen, ob und wie sich die Wahrnehmung verändert hat.
Urwaldstamm mit seltsamen Riten
Oder aber Sie verfolgen den ethnologischen Ansatz und betrachten die eigene Firmenkultur wie eine fremde Zivilisation, wie die Rituale zum Beispiel eines Eingeborenenstammes im Amazonas: Welche Rituale und Bräuche gibt es? Wie werden Sie praktiziert? Welche "Götter" werden verehrt, welche Legenden und Heldengeschichten erzählt? In der Regel führt dieser Ansatz jedoch erst dann zum Erfolg, wenn ein externes Beraterteam hinzugezogen wird.